Substanzinduzierte Angststörung

Das DSM-IV führt unter den Angststörungen auch die substanzinduzierte Angststörung an, die aus ausgeprägter Angst, Panikattacken, Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen bestehen kann. Die Angstsymptome treten während oder innerhalb eines Monats nach einer Substanzintoxikation (Vergiftung) oder nach einem Entzug auf und stehen in ursächlichem Zusammenhang mit der Substanzeinnahme (Alkohol, Koffein, Nikotin, Medikamente, Drogen oder andere Substanzen).

Alkohol, Nikotin, Kaffee, Medikamente und Drogen können durch Herz-Kreislauf-Veränderungen (Kollapsneigung oder Kreislaufankurbelung) sowie durch einen Blutzuckerabfall Panikattacken verursachen. Bei Panikpatienten findet man in der Vorgeschichte oft Alkohol- oder Drogen-(Tranquilizer-)Missbrauch, verstärktes Rauchen und übermäßigen Kaffeekonsum. Nach dem Auftreten von Panikattacken wird der übermäßige Konsum von Alkohol oder Tranquilizern eher noch gesteigert. Wenn eine Droge mit beruhigender Wirkung plötzlich abgesetzt wird, steigt der Adrenalinspiegel, wodurch eine Panikattacke ausgelöst werden kann.

Aufputschende Drogen können eine übermäßige Kreislaufreaktion bewirken, die als Panikattacke erlebt wird, sodass Erwartungsängste bestehen bleiben, auch wenn schon seit längerer Zeit keine Substanzen mehr eingenommen werden.

Überdosierungen bzw. psychische und körperliche Entzugserscheinungen können aufgrund der erlebten Wirkungen eine ängstliche Körperbeobachtung zur Folge haben.

Viele Drogen (z.B. Kokain, Amphetamine, LSD) entfalten ihre biochemischen Wirkungen gerade in jenen Gehirnstrukturen, die mit emotionalen Reaktionen und Gedächtnisvorgängen zu tun haben (mediobasaler Schläfenlappen mit dem zugeordneten limbischen System). Dies erklärt die emotionalen Veränderungen, abnormen Erregungs- und Angstzustände („Horrortrips”) sowie Panikattacken. Der Verdacht auf eine substanzbedingte Angststörung kann sich aus dem Vorhandensein von Merkmalen ergeben, die für eine primäre Angststörung untypisch sind (z.B. untypisches Alter bei Störungsbeginn oder untypischer Verlauf).

Bei einer Panikstörung sind dies

  • Beginn nach dem 45 Lebensjahr (was selten ist),
  • Vorhandensein von untypischen Symptomen während einer Panikattacke (primärer Schwindel, Verlust von Gleichgewichts-, Bewusstseins-, Blasen- oder Darmkontrolle, Kopfschmerzen, undeutliche Sprache, Amnesie usw.).

Auf eine primäre Angststörung, die bereits vor dem Substanzmissbrauch vorhanden war, weisen dagegen folgende Umstände hin

  • Angstsymptome vor dem Substanzgebrauch,
  • Anhalten der Angstsymptome über eine deutliche Zeitspanne (über einen Monat) nach dem Ende der Substanzeinwirkung oder des akuten Entzugs hinaus,
  • Entwicklung von Symptomen, die deutlich ausgeprägter sind, als dies aufgrund von Art und Menge der eingenommenen Substanz oder aufgrund der Einnahme zu erwarten ist, früheres Vorhandensein einer primären Angststörung.

Das DSM-IV nennt folgende 10 Substanzklassen, die durch Missbrauch, Vergiftung, Nebenwirkungen oder Entzugserscheinungen eine spezifische substanzinduzierte Angststörung bewirken können (Nikotin und Opiate werden nicht angeführt):

  1. Koffein
  2. Alkohol
  3. Sedativa, Hypnotika, Anxiolytika
  4. Amphetamine oder ähnlich wirkende Sympathomimetika
  5. Kokain
  6. Cannabis
  7. Halluzinogene
  8. Phencyclidine oder ähnlich wirkende Substanzen (hier nicht besprochen)
  9. Inhalanzien, d.h. Schnüffelstoffe (hier nicht besprochen)
  10. andere Substanzen (Medikamente)