Von allen vegetativ gesteuerten Körperfunktionen nimmt die Atmung eine Sonderstellung ein, weil sie willkürlich leicht beeinflussbar ist. Indirekt lässt sich dadurch auch der Herzschlag steuern (verlangsamen). Die Atmung in Ruhe soll 8-12 Atemzüge pro Minute betragen (5-6 pro Minute wirken sehr dämpfend, 3-4 noch mehr). Schneller atmen beschleunigt den Herzschlag, langsamer atmen vermindert die Herzschlagfrequenz. Verstärktes Einatmen fördert Anspannung und Verkrampfung, tief ausatmen entspannt, lockert und schafft Unterdruck in der Lunge, sodass das Einatmen von selbst erfolgt.
Die verschiedenen Atemtherapien legen großen Wert auf eine frei fließende, möglichst ausgedehnte Ausatmungsphase, um die Blockierung des Ausatmens zu überwinden und den spontan einsetzenden Einatmungsreflex zu ermöglichen. Sportler achten auf die intensive Ausatmung durch den Mund (z.B. beim Laufen und Schwimmen), ungeübte Läufer und ängstliche Schwimmer konzentrieren sich auf die Einatmung mit dem Mund und bekommen bald Seitenstechen, Schwächezustände und Muskelkater.
Das Einatmen in Ruhe sollte stets über die Nase erfolgen, und zwar möglichst lautlos. Bei der Nasenatmung wird die Luft gereinigt, befeuchtet und erwärmt. Bei der Einatmung durch die Nase werden die Nasenflügel durch den Atemsog vorne leicht angesaugt. Die Nase verschmälert sich beim Einatmen, und die Grübchen über den Nasenflügeln werden tiefer. Durch die Schmalstellung der Nasenöffnung (z.B. beim intensiven Einatmen eines angenehmen Geruchs) erhält die einströmende Luft einen Widerstand, wodurch die Einatmung verlangsamt und verlängert und die Zwerchfellatmung angeregt wird. Die Luft verweilt länger in der Lunge, die Durchblutung und Lüftung von Lunge und Herz wird verbessert, die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn erhöht. Der Atem hat genügend Zeit, sich in den Lungenbläschen auszubreiten und in das Blut der Kapillargefäße einzudringen.
Das Blut wird bei der langsamen, tiefen und längeren Atmung mit mehr Sauerstoff gesättigt und gleichzeitig vermehrt vom Abfallprodukt Kohlendioxid befreit. Dem Blut verbleibt mehr Zeit, bis in die Zellen der entferntesten Körperstellen zu gelangen und zu wirken. Eine intensive Zwerchfellatmung bewirkt auch eine bessere Durchblutung der Bauchorgane und erleichtert den venösen Rückstrom des Blutes zum Herzen.
Einatmen durch den Mund führt zu übermäßiger Brustatmung, Verspannungen im Brustbereich (infolge der übermäßigen Atmung) und zu einem trockenen Mund, oft verbunden mit einem Hustenreiz. “Einschnüffeln” von Luft bei geschlossenem Mund (z.B. sich einen angenehmen Geruch vorstellen und bewusst einatmen) erleichtert die Nasenatmung und lässt die Bewegungen des Zwerchfells besonders gut spürbar werden.
“Lufteinschnüffeln” (Schnuppern, Riechen) verlagert den Atemschwerpunkt vom Brustkorb in den Bauch. Beim Schnüffeln wird die Nase verengt (tiefere Grübchen über den Nasenflügeln), was die einströmende Luft bremst, eine gute Lüftung des obersten Nasengangs bewirkt, die Zwerchfellbewegungen intensiviert und sogar die Lippenbremse überflüssig macht. Einschnüffeln ermöglicht das Gefühl, ganz durchatmen zu können. Pflanzliche Duftstoffe und ätherische Öle wirken zusätzlich beruhigend.
Das Ausatmen soll in Ruhe ebenfalls über die Nase erfolgen oder (bei Angst und innerem Druck) über die “Lippenbremse”: bei leicht geschlossenen oder lediglich durch einen kleinen Spalt geöffneten Lippen lässt man den Atemstrom ganz langsam und lange ausströmen, bis das Einatmen durch die Nase ganz von alleine reflexhaft erfolgt. Die Lippenbremse stellt einen Ausatmungswiderstand dar und verlangsamt damit die Ausatmung. Nach einiger Zeit des Ausatmens über die Lippenbremse tritt ein intensiver Entspannungsprozess ein. Der Ausatemstrom klingt langsam und stetig immer mehr ab, die anschließende Atemstille dauert so lange, bis der Körper von selbst nach der Einatmung verlangt. Der Schwerpunkt des Atmungsvorgangs ist immer auf die Ausatmungsphase zu legen. Vollständiges Ausatmen ermöglicht erst intensives Einatmen.
Das Ausatmen soll langsam erfolgen. Bei zu starker und zu rascher Ausatmung verschließen sich die kleinen Bronchien, wodurch die verbrauchte Luft in den Lungenbläschen zurückgehalten wird. Jedes weitere Einatmen behindert dadurch die Zufuhr sauerstoffreicher Luft. Selbst bei sportlicher Betätigung sollte man ruhig ausatmen.
Der Ausatmungsstrom kann durch einen Laut oder Ton hörbar gemacht werden
- Zischlaute wie “SSS” oder ein sanftes “SCH”,
- Konsonanten wie “TT”, “MM”, “FF”, “PP” oder “PFFF”,
- Vokale wie “UU”, “OO”, “AA”,
- Vokale und Konsonanten wie “OOUUMM”.
Das Atmen soll nicht erzwungen werden, sondern der Atem kommt und geht in rhythmischer Weise. Nach dem Einatmen soll die Luft nicht angehalten werden (dies darf nur bei Yoga-Übungen gemacht werden, die unter Anleitung gelernt werden), sondern es soll sofort ausgeatmet werden. Atemanhalten empfiehlt sich dagegen nach der vollständigen Ausatmung, um zu sehen, was passiert. Nach kurzer Zeit erfolgt ein wohltuender, intensiver Einatemreflex, gesteuert durch das Zwerchfell (vorausgesetzt, der Mund bleibt bei der Einatmung geschlossen), weil die Ansammlung von Kohlendioxid im Blut die Einatmung einfach erzwingt. Wie weit können Sie in dieser Phase der Atemstille zählen, bis Sie von alleine mit der Nase wieder einatmen?
Die Zwerchfellatmung lernen Sie am leichtesten im Liegen. Bei jeder Einatmung hebt sich die Bauchdecke, bei jeder Ausatmung senkt sich die Bauchdecke infolge der Schwerkraft. Dieses Auf und Ab entfällt beim Sitzen oder Stehen, weshalb hier die Zwerchfellatmung etwas schwerer zu erlernen ist. Wenn Ihnen die Bauchatmung schwer fällt, spannen Sie vorerst einmal Ihre Bauchmuskeln an und heben bzw. senken Sie auf diese Weise die Bauchdecke. Es fällt Ihnen dann vielleicht leichter, die Bauchdecke allein über die Zwerchfellatmung zu bewegen. Eine weitere Erleichterung: im Sitzen verschränken Sie zuerst Ihre Hände hinter dem Kopf, dann atmen Sie durch die Nase ein, anschließend werden Sie spüren, wie Sie locker aus dem Bauch heraus atmen.
In den meisten Büchern, die Atemtechniken zur Angstkontrolle empfehlen, wird die “Bauchatmung” als sichtbarer Ausdruck der Zwerchfellatmung empfohlen. Dies wird von manchen Atemtherapeuten kritisiert, weil die Vorderbauchatmung nur das vordere Drittel des Zwerchfells aktiviere. Die Intensivierung der Zwerchfellatmung sollte eher durch die Konzentration auf die physiologisch richtigeren Vorgänge gefördert werden, nämlich auf das Weiterwerden der ganzen Taille und des ganzen Rumpfes beim Einatmen und auf das Schmalwerden der Taille bei der Ausatmung. Beim Einatmen weiten sich neben der Bauchdecke auch die unteren Rippen (Flanken), an denen das Zwerchfell festgewachsen ist, und der untere Rückenteil (Kreuzbereich).
Viele Menschen mit einer Zwerchfellschlaffheit, d.h. mit einer völligen Verkümmerung der Zwerchfellmuskulatur (als “Zwerchfellhochstand” diagnostiziert), können nicht gut waagrecht liegen, weil der Bauchinhalt nach oben drückt und die Herztätigkeit behindert. Dies könnte gelegentlich bei jenen Panikpatienten der Fall sein, die Panik-attacken bevorzugt im Liegen als Ausdruck der Behinderung der Herztätigkeit erleben.