Alkohol

Alkohol, abhängig machende Beruhigungsmittel und verschiedene Drogen haben anfangs zwar eine angstdämpfende Wirkung, führen jedoch später über Langzeiteinnahme, paradoxe Effekte oder Entzugssymptome zu massiven Angstzuständen, sodass erst recht wieder dieselben Mittel zur Bekämpfung verwendet werden, wenn den Betroffenen diese Zusammenhänge nicht bekannt sind.

Das Missbrauchspotential von Alkohol beruht auf einer Aktivierung dopaminerger Neurotransmittersysteme, insbesondere dopaminerger Nervenbahnen, die von der Area tegmentalis ventralis (einer Region der Mittelhirnhaube), zum Nucleus accumbens (einer Nervenzellenanhäufung im Vorderhirn) und zum frontalen Kortex (vordere Großhirnrinde) verlaufen. Die erwünschte Wirkung von Alkohol kommt zustande durch eine exzitatorische (erregende) Wirkung von Alkohol auf die dopaminergen Neurone in der Area tegmentalis ventralis infolge einer durch GABAA-Rezeptoren vermittelten Hemmung der hemmenden (inhibitorischen) Interneurone. Ethanol könnte aber auch direkt die Aktivität der dopaminergen Neurone ohne Zwischenschaltung von Interneuronen erhöhen.

Angst im Rahmen des Alkoholentzugs wird durch zwei Faktoren bewirkt

  • Erniedrigte GABA-Tätigkeit. Ethanol verstärkt die Wirkung der wichtigsten natürlichen hemmenden Transmittersubstanz GABA an bestimmten GABAA-Rezeptoren. Die entspannende und angstlösende Wirkung von Alkohol beruht auf einer Verstärkung der GABA-ergen Wirkungsmechanismen. Chronischer Alkoholkonsum erniedrigt den GABA-Spiegel im Plasma, was bei Absetzen des Alkohols einen Erregungsanstieg bewirkt. Bei einem Alkoholentzug bzw. bei reduziertem Alkoholkonsum von Abhängigen kommt es zu einer länger andauernden Erregbarkeitssteigerung im Zentralnervensystem, was mit Angst verbunden ist und auch bei völligem Absetzen des Alkohols noch monatelang anhalten kann.
  • Erhöhte noradrenerge Aktivität. Bei einem Alkoholentzug kommt es zu einer Überaktivität im Locus coeruleus, der zentralen noradrenergen Struktur, wodurch eine allgemeine Erregung, speziell auch Angst, entsteht. Häufig werden deshalb Alkoholentzugssymptome mit Tranquilizern bekämpft oder dem Arzt die Symptome einer Panikattacke beschrieben, ohne vom vorausgehenden Alkoholmissbrauch zu berichten, sodass Tranquilizer als (falsche) Behandlungsmethode eingesetzt werden.
  • Bei einem Alkoholentzug nach übermäßigem und langandauerndem Alkoholkonsum treten mindestens zwei der folgenden Symptome innerhalb einiger Stunden oder weniger Tage auf: Angst, Hyperaktivität des vegetativen Nervensystems (Schwitzen oder Puls über 100), psychomotorische Agitiertheit, Schlaflosigkeit, verstärktes Händezittern (Tremor), Übelkeit oder Erbrechen, vorübergehende visuelle, taktile oder akustische Halluzinationen oder Illusionen, Grand-mal-Anfälle (epileptische Anfälle).
  • Langjähriger Alkoholmissbrauch kann durch seine dämpfende Wirkung den Herzmuskel schädigen und durch den häufigen Vitamin-B1-Mangel das Herz in seiner Pumpkraft beeinträchtigen. Alkoholkonsum regt auch die Nebennieren zu vermehrter Ausschüttung von Kortisol an, dem Stresshormon, das den Blutdruck erhöht, indem es die Wasserausscheidung durch die Nieren hemmt.
  • Bei Menschen mit hohem Blutdruck werden die ohnehin erhöhten Stresshormone wegen des Alkohols langsamer abgebaut, sodass der Blutdruck noch mehr ansteigt und Symptome auftreten (Kopfschmerzen, Schwindel, Atemnot, Druck auf der Brust, Herzbeschwerden, Leistungsminderung, Unruhegefühl u.a.). Bei niedrigem Blutdruck macht sich die blutgefäßerweiternde Wirkung des Alkohols bemerkbar, sodass beim Stehen besonders viel Blut in den weit gestellten Venen der Beine versackt. Durch die Gegenregulation kommt es zu Herzrasen und Schweißausbrüchen.