Medikation

Obwohl ich persönlich gegen jegliche Einnahme von Medikamenten zur Behandlung von Angst- oder Panikstörungen bin, gibt es Zeiten, wo dies nicht anders geht. Manchmal ist die Verabreichung von Medikamente für einige von uns die einzige Möglichkeit eine Therapie überhaupt anzufangen. Es ist nur wichtig, das die Entwöhnung der Medikamente auch im Angriff genommen wird. Ansonsten kann das Erlernte nie ausprobiert und geübt werden.

Vor Einleitung einer Pharmakotherapie ist zu bedenken, dass Panikattacken bei 20 % – 40% aller Menschen gelegentlich vorkommen und somit ein häufiges Phänomen darstellen, viele Patienten aber nur ganz selten Attacken erleiden, die unter Umständen erst nach Jahren wieder auftreten können. Andererseits können Panikattacken auch Frühsymptome einer später beginnenden Panikstörung oder einer anderen psychiatrischen Erkrankung, insbesondere depressiver Störungen, sein Somit empfiehlt sich beim erstmaligen Auftreten einer Panikattacke zunächst eine diagnostisch abwartende Haltung, bevor eine konsequente Therapie begonnen wird.

Die Auswahl der Medikamente richtet sich zunächst nach der zu erwarteten Wirksamkeit bei der Erkrankung. Berücksichtigt werden müssen dann aber noch eine Vielzahl anderer Gesichtspunkte wie Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, Wirkdauer, Nebenwirkungen, Ängste vor Nebenwirkungen, usw. Hier ein Beispiel der Auswahl von Psychopharmaka nach den Nebenwirkungen unter Berücksichtigung von Begleiterkrankungen:

Vorschläge zur medikamentösen Behandlung von Angst- und Zwangsstörungen nach Angst- und Zwangsstörungen (EB)Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Diagnose Behandlungsmöglichkeit
Panikstörung, Agoraphobie Akutbehandlung: Schnellfreisetzende Benzodiazepin-Präparate wie z. B. Lorazepam– Sublingualplättchen 1–2,5 mg, ggf. Diazepam-Tropfen Dauerbehandlung: NSMRI, z. B. Clomipramin 75–200 mg/die oder Imipramin* 75–200 mg/die oder SSRI: Fluvoxamin* 100–300 mg/die oder Paroxetin 20–50 mg/die oder Sertralin* 50 mg/die oder Citalopram* 20–60 mg/die Wenn andere Behandlungsmöglichkeiten versagt haben oder zur Überbrückung: Benzodiazepine, z. B. Alprazolam 1,5–8 mg/die
Generalisierte Angststörung NSMRI, z. B. Imipramin* 75–200 mg/die oder Buspiron 15–60 mg/die Wenn andere Behandlungsmöglichkeiten versagt haben oder zur Überbrückung: Benzodiazepine, z. B. Diazepam 5–15 mg/die
Soziale Phobie Moclobemid 300–600 mg/die oder SSRI, z. B. Paroxetin 20–40 mg/die Wenn andere Behandlungsmöglichkeiten versagt haben oder zur Überbrückung: Benzodiazepine, z. B. Alprazolam 1,5–8 mg/die
Zwangsstörung NSMRI, z. B. Clomipramin 75–300 mg/die oder SSRI, z. B. Fluoxetin 20–80 mg/die oder Fluvoxamin 100–300 mg/die
Angst und Depression gemischt NSMRI/SSRI Wenn andere Behandlungsmöglichkeiten versagt haben oder zur Überbrückung: Benzodiazepine, z. B. Diazepam 5–15 mg/die
* In Deutschland zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht für diese Indikation zugelassen.
nach Angst- und Zwangsstörungen (EB) Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Wichtige unerwünschte Wirkungen Wichtige Kontraindikationen bzw. Anwendungsbeschränkungen Wichtige Wechselwirkungen
Antidepressiva NSMRI Imipramin, Clomipramin , Sedierung, Blutdruckabfall, Harnverhalten, anticholinerge Wirkungen (Mundtrockenheit, Sehstörungen, Verstopfung, Verwirrtheit, Delir, Harnverhaltung Tremor), Gewichtszunahme, Leber- und Nierenschäden -EKG-Veränderungen, Sexualstörungen, zerebrale Krampfanfälle,- Engwinkelglaukom Myokardinfarkt, AV-Block II° und III°, Herzinsuffizienz, Erregungsleitungsstörungen, Prostatahypertrophie, Epilepsie, Intoxikationen mit ZNS-dämpfenden Substanzen – ZNS-dämpfende Psychophar-z.B MAO-Inhibitoren, chinidinähnliche Antiarrhythmika, anticholinerg wirkende Arzneimittel, enzyminduzierende Substanzen (z. B. Carbamazepin,Phenobarbital) Antihypertensiva
SSRI z.B. Fluoxetin, -Fluvoxamin, Paroxetin,Sertralin,Citalopram Übelkeit, Erbrechen, Unruhe, Angst, Kopfschmerzen, Gewichtsabnahme, gestörte Sexualfunktion Schwere Nierenfunktionsstörungen, Leberfunktionsstörugen, Epilepsie, Diabetes mellitus Intoxikationen mit ZNS-dämpfenden Substanzen u. a. Herz- oder Ateminsuffizienz, ZNS-dämpfende Psychopharmaka, trizyklische Antidepressiva, Tryptophan, Diazepam, Lithium, Digitoxin,-Warfarin u. a. Irreversible MAO-Inhibitoren 2 Wochen vor der Behandlung absetzen; nach einer SSRI-Behandlung irreversible MAO-Inhibitoren frühestens nach 1–5 Wochen (je nach Präparat) einsetzen
reversibler MAO-A-Inhibitor Moclobemid Unruhe, Schlafstörungen,Mundtrockenheit, Kopfschmerzen, Sedierung, Schwindel, gastrointestinale Beschwerden Übelkeit u.a. Schwere Lebererkrankungen Pethidin, Selegelin, Clomipramin, Cimetidin
Benzodiazepine
mittlere Wirkdauer: Alprazolam, Lorazepam, Bromazepam Clotiazepam, Metaclazepam,Oxazepam lange Wirkdauer: Chlordiazepoxid,Clobazam, Diazepam, Dikaliumclorazepat, Nordazepam, Prazepam Sedierung, Schwindel, Reaktionsverminderung, Gedächtnis-, Sprachstörungen, Ataxie, Muskelschwäche, Atemdepression, Suchtentwicklung Medikamenten-, Drogen- oder Alkoholabhängigkeit,Myasthenia gravis, akutes Engwinkelglaukom ZNS-dämpfende Psychopharmaka, Muskelrelaxan zien, Cimetidin, Antihypertonika u. a.
5-HT 1A -Agonist Buspiron Benommenheit, Übelkeit, Kopfschmerzen, Nervosität, Schwindelgefühl, Erregung u. a. Schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen, akutes Engwinkelglaukom, Myasthenia gravis u. a. MAO-Inhibitoren. Keine ausreichenden Erfahrungen über die gleichzeitige Einnahme mit anderen ZNS-wirksamen Medikamenten, Antihypertensiva,Antidiabetika, Antikoagulanzien, Kontrazeptiva, Herzglykoside u. a.

Benzodiazepine

Benzodiazepine (gesprochen Benzo-dia-zepine) gehören zu den Beruhigungsmitteln (Tranquilizer). Da sie sehr schnell und stark wirksam sind und die Wirkung von den Patienten zunächst einmal als sehr angenehm empfunden wird, gehörten die Benzodiazepine schon bald nach ihrer Entdeckung Ende der fünfziger Jahre zu den meistverkauften Arzneimitteln der Welt.

Der Erfolg der Benzodiazepine wurde schon mit dem des Penicillin oder des Aspirin verglichen. Schnell zeigte sich, daß dieses anscheinend ideale Mittel gegen krankhafte Ängste und Schlafstörungen nicht so ungefährlich ist, wie es zuerst den Anschein hatte: Die Wissenschaftler beobachteten schwere Entzugserscheinungen und Suchtgefahr nach längerem Gebrauch. Trotz dieser negativen Wirkungen und obwohl die Benzodiazepine 1984 von der WHO in das Verzeichnis der besonders zu überwachenden Medikamente aufgenommen wurde, gehören sie immer noch weltweit zu den am häufigsten verschriebenen Arzneimitteln.

Benzodiazepine wirken direkt auf das Zentrale Nervensystem. Je nach Höhe der Dosis lösen sie vorhandene Angst, entspannen, beruhigen, helfen beim Einschlafen und wirken krampflösend. Sie vermindern oder beseitigen psychovegetative Beschwerden, also zum Beispiel Herzklopfen, Zittern oder Verkrampfungen, die seelische Ursachen haben. Entsprechend diesen Wirkungen werden sie von Ärzten vor allem eingesetzt bei allen möglichen Ängsten, Unruhe, Anspannung, Schlafstörungen, bei Krampfanfällen, vor Narkosen, aber eben auch bei körperlichen Beschwerden, die seelische Ursachen haben.

Die gefährlichste Nebenwirkung der Benzodiazepine aber ist die Suchtgefahr. Benzodiazepine können süchtig machen, körperlich wie seelisch, in niedrigen wie in hohen Dosen. Ein Mensch braucht gar nicht generell suchtgefährdet zu sein, um in eine Benzodiazepinabhängigkeit zu geraten. Es reicht, von Ängsten gequält zu werden.

Trizyklische Antidepressiva

Die Bezeichnung leitet sich ab von den drei (tri) Ringen (zyklisch) der chemischen Substanzen, die gegen (anti) Depressionen wirken. 1957 stellte der Schweizer Psychiater R. Kuhn fest, daß der Wirkstoff Imipramin stimmungsaufhellend wirkt und depressive Gehemmtheit lösen kann. Inzwischen gibt es zahlreiche trizyklische Antidepressiva, die sich alle vom Imipramin ableiten. Hier soll nur vom Imipramin die Rede sein, da seine Wirkung auf Panikattacken am besten erforscht ist. Es ist aber anzunehmen, daß auch andere trizyklische Antidepressiva einen antipanischen Effekt haben könnten. Am ehesten trifft dies für Clomipramin zu. Imipramin, ist ein häufig verschriebenes Medikament.

Wie schon der Entdecker feststellte, wirkt Imipramin stimmungsaufhellend und löst Depressionen. Seine Wirkung entfaltet es im Gehirn, wobei die Wirkung erst mit erheblicher Verzögerung spürbar wird. Meist dauert es acht bis vierzehn Tage manchmal vier Wochen, bis die Patienten etwas merken. (Die Nebenwirkungen treten leider schneller auf, dazu unten mehr.) Der amerikanische Psychiater Donald F. Klein stellte Anfang der achziger Jahre fest, daß Imipramin Panikattacken blockieren kann, die Betroffenen unter Imipramin also keine Panikattacken mehr haben. Dies wurde inzwischen in zahlreichen Studien belegt, auch daß dieser Effekt anhaltend ist. Ein größerer Teil der primär erfolgreich behandelten spricht langfristig darauf an und oft hält der Effekt auch nach Absetzen des Medikamentes an( Longterm Maintenance and Dicontinuation of Imipramine Therapy in Panik Disorder with Agoraphobia von Mvissakalian M.R. und Perel J,M. Seite 821-827 in. Archives of General Psychiatry, September 1999.). Dies auch wenn keinerlei psychotherapeutische Intervention erfolgte.

Serotonin-Wiederaufnahmehemmer

Seit 15 Jahren ist für eine andere Gruppe der Antidepressiva, die sogenannten Serotonin- Wiederaufnahmehemmer eine Wirksamkeit gegen Panikattacken nachgewiesen worden .

Vor allem die Stoffe Fluvoxamin, Fluoxetin , Sertalin, Paroxetin, Citaprolam haben hier eine nachgewiesene Wirkung. In der Wirkung sind sie dem Imipramin ähnlich. Auch sie machen nicht süchtig, die antipanische Wirkung tritt auch hier mit Verzögerung ein, später als die eventuellen Nebenwirkungen (unter anderem Angstverstärkung). Ein Wundermittel sind also auch die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer nicht. Der Neurotransmitter Serotonin spielt in der Psychiatrie seit Jahren eine sehr große Rolle. Schon relativ früh war bekannt, daß Serotonin bei depressiven Störungen von Bedeutung ist und zwar im Sinne einer Verminderung des Serotoninspiegels im limbischen System. In den letzten Jahren sind dann zuverlässige Befunde zu Angsterkrankungen, Aggressivität, Zwangsstörungen, Impulskontrollstörungen und Suizidalität hinzugekommen. Auch bei schizophrenen Psychosen spielt Serotonin eine Rolle. Bei allen diesen Erkrankungen gibt es zu niedrige Serotoninspiegel im synaptischen Spalt. Allerdings gilt dies nur für bestimmte Regionen bzw. Regelkreise im Gehirn, die jeweils bei den genannten Erkrankungen pathophysiologisch von Bedeutung sind.

Der Serotoninspiegel im peripheren Blut korreliert nicht ausreichend mit diesen Serotoninkonzentrationen, auch nicht der Serotoninspiegel im Liquor. Es ist deshalb nicht möglich, aus Serum-Bestimmungen auf psychische Probleme zu schließen ! Im übrigen gehen wir heute davon aus, daß nicht die Störung eines einzelnen Neurotransmitters für die Erkrankung verantwortlich ist, sondern vielmehr das Gleichgewicht verschiedener Neurotransmittersysteme (z.B. Noradrenalin, Dopamin, Acetylcholin etc.). Die Korrelation zwischen biochemischen Auffälligkeiten und klinischer Symtomatik ist sowieso nie vollständig, da immer noch weitere Faktoren (psychologisch, sozial) eine Rolle spielen. Die Bestimmung von zentralen Serotonin-Konzentrationen ist einigermaßen zuverlässig nur mit bestimmten bildgebenden Verfahren (z.B. PET) möglich. Diese Untersuchung eignet sich aber nicht für die klinische Praxis geeignet. Die Kenntnis über den Serotoninstoffwechsel hat zur Entwicklung von selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI) geführt, die heute einen wesentlichen Teil der Therapie von Depressionen, Angst- und Zwangserkrankungen darstellen. Die meisten Patienten vertragen diese Medikamente, dabei verschwinden die Nebenwirkungen meistens nach 1-3 Wochen so, daß subjektiv keine mehr empfunden werden.

Neuroleptika.

Neuroleptika sind hoch wirksame Medikamente, die erfolgreich in der Behandlung von Schizophrenie, Wahnvorstellungen und anderen schweren Psychosen (Geisteskrankheiten) eingesetzt werden. Panikattacken sind keine Psychosen – deshalb sind Neuroleptika hier nur sehr selten angezeigt. Das gilt um so mehr, als Neuroleptika schwere Nebenwirkungen haben können. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen der Neuroleptika sind Bewegungsstörungen, die von Krämpfen der Gesichtsmuskulatur über Schüttellähmung reichen können bis hin zur äußerst quälenden Unfähigkeit, ruhig sitzenzubleiben. Besonders tückisch sind sogenannte Spätdyskinesien, eine Nebenwirkung von Neuroleptika, die noch lange nach Absetzen des Medikaments bleiben kann. Bei diesen Spätdyskinesien handelt es sich um Bewegungen, die der Betroffene nicht kontrollieren kann, und die sich zum Teil rhythmisch wiederholen: Zuckungen, Krämpfe oder Schleuderbewegungen der Gesichtsmuskulatur oder der Arme und Beine. Bestimmte Neuroleptika sind zeitweise als milde Beruhigungsmittel dennoch vertretbar. (z.B. Imap, Promethazin; ). Kontrollierte Studien zur Wirksamkeit von Neuroleptika bei Panikstörungen liegen nicht vor. Fragen Sie deshalb nach was die Beruhigungs- oder Aufbauspritze enthält.

Pflanzliche Medikamente

Baldrian

Baldrian wird zur Beruhigung bei Angst und Spannungszuständen verwendet. Er begünstigt durch die Beruhigung auch das Einschlafen, ist jedoch kein Schlafmittel.
Eine Dosis sollte 2-3g Baldrian entsprechen.

Hopfen

Hopfen wirkt beruhigend und Schlaffördernd. Er wird als Beruhigungsmittel bei Unruhe, nerv. Schlafstörungen sowie Angst-und Spannungszuständen eingesetzt, meist in Kombination mit anderen Heilpflanzen.

Passionsblume

In Experimenten wirken Passionsblumen krampflösend. Die Pflanze wird gegen nervöse Unruhe, psychosomatische Störungen, leichte Einschlafschwierigkeiten und Angst eingesetzt.

Kava-Kava

Es gibt verschiedene Studien, die eine Wirkung bei Nervosität, depressiver Stimmung und gegen verspannte Muskulatur gezeigt haben. Kava-Kava Präparate werden zur Entspannung bei Nervosität eingesetzt.

Tagesdosis 60-120 mg Kavapyronen.
Die Wirkung von Alkohol, Schlafmitteln und Psychopharmaka kann verstärkt werden.

Johanniskraut

Einige Studien zeigen, das Johanniskraut mild antidepressiv wirkt. Es wird bei depressiver Verstimmung, seelisch bedingten Funktionsstörungen, Angst und Unruhe eingesetzt.
Die volle Wirkung tritt erst nach mehreren Wochen ein.
Tagesdosis ist 0,2-1 mg Hypericine.