Was eine Posttraumatische Belastungsstörung ausmacht

Historische Aspekte der posttraumatischen Belastungsstörung

Über die Folgen traumatischer Erlebnisse (Kriegserfahrungen, Feuersbrunst u.a.) wurde seit der Antike immer wieder berichtet, z.B. beschrieb ein Zeuge des Londoner Großbrandes im Jahr 1666 sechs Monate später seine seit diesem Ereignis bestehende Schlafstörung mit nächtlichem Erwachen in Verbindung mit der Angst, neuerlich Opfer des Feuers zu werden.

Nach dem deutschen Psychiater Kraepelin, der 1899 verschiedene Symptome unter der Bezeichnung “Schreckneurose” darstellte, handelt es sich dabei “um ein aus mannigfaltigen nervösen und psychischen Erscheinungen zusammengesetztes Krankheitsbild, welches sich in Folge von heftigen Gemüthserschütterungen, plötzlichem Schreck, großer Angst ausbildet und daher nach schweren Unfällen und Verletzungen, besonders nach Feuersbrünsten, Explosionen, Entgleisungen oder Zusammenstößen auf der Eisenbahn u. dergl. beobachtet wird.”

Bis in die 70-er Jahre wurden berufsunfähig gewordene Menschen mit traumatischen Erlebnissen als Rentenneurotiker abqualifiziert. Es wurde ihnen eine die Echtheit der berichteten Symptome abgesprochen und eine Simulationstendenz mit dem Wunsch nach finanzieller Entschädigung unterstellt (“Kompensationsneurose”).

Die bekanntesten historischen Vorläufer der posttraumatischen Belastungsstörung sind die “Unfallneurose” als psychische Störung nach schweren Belastungen (z.B. nach den ersten Eisenbahnunfällen im 19. Jahrhundert) und die “Kriegsneurose” (“Frontneurose”, “Gefechtsneurose”, “Schützengrabenneurose”, “Granatenschock”) bei Teilnehmern am 1. oder 2. Weltkrieg. Die Erforschung psychischer Störungen infolge traumatischer Kriegs- oder Internierungserlebnisse erlahmte jeweils kurz nach den beiden Weltkriegen, obwohl dabei interessante Erkenntnisse gewonnen wurden.

Bei zurückgekehrten Kriegsteilnehmern wurde 1945 in den USA eine Gefechtsneurose mit folgenden Symptomen diagnostiziert: innere Unruhe, Aggressionen, Depressionen, Gedächtnisstörungen, Überaktivität des sympathischen Nervensystems, Konzentrationsstörungen, Alkoholismus, Alpträume, Phobien und Misstrauen.

In den 50-er und 60-er Jahren wurden die psychischen Folgen von Natur- und Industriekatastrophen (Brandkatastrophen, Gasexplosionen, Erdbeben, Tornados u.a.) zu erforschen begonnen. Seit den 70-er Jahren widmete man sich in den USA intensiv der Untersuchung von Opfern sexueller und nichtsexueller Gewalt.

Die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung (engl. “posttraumatic stress disorder”) ergab sich aus den Untersuchungen an Vietnam-Kriegsteilnehmern in den USA. Sie wurde 1980 in das amerikanische Diagnoseschema DSM-III aufgenommen, u.a. auf Betreiben des Psychoanalytikers Horowitz. Die Störung findet sich auch im ICD-10 unter den “Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen”. “Posttraumatisch” bezeichnet den Zustand nach einer schweren seelischen Verwundung (“post” = “danach”, “trauma” = “seelische Verwundung”).

Im Laufe der Erforschung dieser Störung wurde klar, dass die psychischen Syndrome, an denen die Opfer von Vergewaltigungen, häuslicher Gewalt und Inzest litten, den Syndromen der Kriegsopfer entsprachen. Besonderen Anteil an dieser Entwicklung hatte der erstarkende Feminismus in den USA in den 70-er Jahren.

Herman stellt in ihrem lesenswerten Buch “Die Narben der Gewalt. Traumatische Erfahrungen verstehen und überwinden”, das den Stand der Forschung und der Therapie mit Opfern häuslicher, sexueller und politischer Gewalt zusammenfasst, lapidar fest: “Weibliche Hysterie und männliche Kriegsneurose sind das gleiche.”

Sigmund Freud hatte bereits vor über 100 Jahren panikartige Symptome als Folge von frühkindlichem sexuellen Missbrauch und diesen wiederum als Ursache für die “Hysterie” beschrieben, musste seine Feststellungen über einen real weit verbreiteten sexuellen Missbrauch innerhalb der Familie jedoch unter dem Druck der empörten Öffentlichkeit widerrufen und die realen traumatisierenden Erfahrungen zu sexuellen Wunschphantasien seiner “hysterischen” Patientinnen erklären.

Die panikartigen Anfälle wie bei der 18-jährigen, vom Vater sexuell belästigten Katharina, deren Fall in den 1895 erschienenen “Studien zur Hysterie” dargestellt ist, verstand Freud als typische angsthysterische Anfälle in Reaktion auf das erinnerte Trauma. 1896 veröffentlichte Freud 18 Fallstudien unter dem Titel “Zur Ätiologie der Hysterie”, wo er feststellte:

“Ich stelle also die Behauptung auf, zugrunde jedes Falles von Hysterie befinden sich – durch die analytische Arbeit reproduzierbar, trotz des Dezennien umfassenden Zeitintervalls – ein oder mehrere Erlebnisse von vorzeitiger sexueller Erfahrung, die der frühesten Jugend angehören. Ich halte dies für eine wichtige Enthüllung…”

Bereits ein Jahr später verwarf Freud insgeheim die Theorie vom Trauma als Ursache der Hysterie, wie aus seinen Briefen hervorgeht. Er war zu sehr beunruhigt über die Folgen seiner Erkenntnisse. Wenn seine Patientinnen die Wahrheit gesagt hatten und seine ursprüngliche Theorie stimmte, dann war aufgrund der Häufigkeit der “Hysterie” auch die Häufigkeit von sexuellem Missbrauch als weitverbreitet anzusehen. Freuds Patientinnen stammten aus geachteten bürgerlichen Familien Wiens, und dort durften derartige Ereignisse einfach nicht vorkommen. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Herman beschreibt den Standpunktwechsel von Freud folgendermaßen

“Aus den Trümmern seiner Theorie zur Entstehung der Hysterie durch frühe Traumatisierung schuf Freud die Psychoanalyse. Die maßgebliche psychologische Theorie des 20. Jahrhunderts basiert auf der Leugnung weiblicher Realität. Die Sexualität stand weiterhin im Mittelpunkt des Forschungsinteresses, doch das ausbeuterische soziale Umfeld, in dem sexuelle Beziehungen letztlich stattfinden, verschwand völlig aus dem Gesichtsfeld. Die Psychoanalyse beschäftigte sich von nun an mit dem inneren Wandel der Phantasien und Sehnsüchte, losgelöst von den realen Erfahrungen. Im Jahr 1910 war Freud dann zu dem Schluß gekommen, dass die Berichte seiner hysterischen Patientinnen über sexuellen Missbrauch in der Kindheit nicht der Wahrheit entsprachen, obwohl er nie eine klinische Dokumentation falscher Anklagen vorlegte: ‘

Als ich dann doch erkennen musste, diese Verführungsszenen seien niemals vorgefallen, seien nur Phantasien, die meine Patienten erdichtet, die ich ihnen vielleicht selbst aufgedrängt hatte, war ich eine Zeitlang ratlos.’ “1920 sah Freud in “Jenseits des Lustprinzips” eine traumatische Situation dann als gegeben an, wenn von außen so starke Erregungen auf das Ich einstürzen, dass der Reizschild durchbrochen werde. Das Ich werde dabei von Außenreizen überschwemmt und die bisher erreichte Anpassung werde massiv gestört. Der Betroffene versuche die Problematik durch die Regression zu einem früheren Abwehrmechanismus zu bewältigen, nämlich durch die zwanghafte Wiederholung der traumatischen Situation.

Symptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung

Bei der posttraumatischen Belastungsstörung handelt es sich nach dem ICD-10 um eine verzögerte (protrahierte) Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes (kurz oder lang anhaltend), die bei fast jedem Menschen eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Nach dem DSM-IV haben die Betroffenen die Erfahrung von Todesbedrohung, Lebensgefahr oder starker Körperverletzung gemacht bzw. die Bedrohung der eigenen körperlichen Unversehrtheit oder einer anderen Person erlebt. Bei Kindern sind aufgrund des Entwicklungsstandes unangemessene sexuelle Erfahrungen inbegriffen.

Die frühere Annahme, dass die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung nur bei Personen mit bereits prämorbider psychischer Auffälligkeit (z.B. mit emotionaler Labilität, neurotischen, affektiven oder schizophrenen Beeinträchtigungen) vorkommt, gilt allgemein als widerlegt, wenngleich die Ausprägung der Beeinträchtigung dadurch verschärft werden kann. Es besteht heute ein Konsens darüber, dass die Störung auch bei früher psychisch stabilen Personen auftreten kann, wenn sie außergewöhnlich belastenden Situationen ausgesetzt sind.

Die Störung und dessen Ausmaß wird nicht allein durch das Trauma an sich definiert, sondern vielmehr auch durch die subjektive Reaktion darauf, die auf die unzureichende Verarbeitungsfähigkeit hinweist (z.B. intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen, bei Kindern oft chaotisches oder agitiertes Verhalten).

Traumatisierend wirkt nicht nur die Bedrohung der körperlichen Integrität, sondern auch die Bedrohung der fundamental menschlichen Erfahrung, eine autonom handelnde und denkende Person zu sein. Das Sich-Aufgeben und der Verlust jeglicher Autonomie in der Zeit der traumatischen Erfahrung stellen nach neueren Erkenntnissen an vergewaltigten oder inhaftierten Menschen – unabhängig von der Lebensbedrohung – verschärfende Belastungsfaktoren dar, was zukünftig stärker berücksichtigt werden sollte.Die Störung entwickelt sich charakteristischerweise nicht sofort nach dem traumatischen Erlebnis, wie dies bei einer akuten Belastungsreaktion oder einer Anpassungsstörung der Fall ist, sondern erst Wochen bis Monate später, doch selten später als 6 Monate nach dem Trauma.

Das wesentlichste Merkmal stellt das ungewollte Wiedererleben von Aspekten des Traumas dar. Es treten dieselben sinnlichen Eindrücke (z.B. bestimmte Bilder, Geräusche, Geschmacksempfindungen, Körperwahrnehmungen) sowie gefühlsmäßigen und körperlichen Reaktionsweisen auf wie zum Zeitpunkt der traumatischen Erfahrung.

Alles, was an das Trauma erinnert, wird als sehr belastend erlebt und deshalb gemieden. Bestimmte Gedanken, Bilder und Erinnerungen werden unterdrückt und verschiedene Situationen des Alltagslebens vermieden.

Die emotionale Befindlichkeit kann von Patient zu Patient sehr verschieden sein, ist jedoch gewöhnlich charakterisiert durch eine Mischung von panischer Angst, großer Traurigkeit, intensivem Ärger, emotionaler Taubheit und starken Schuldgefühlen, Selbstvorwürfen und Schamgefühlen. Es besteht eine ausgeprägte emotionale, kognitive und psychovegetative Übererregbarkeit.

Eine posttraumatische Belastungsstörung ist nach den neuen Diagnoseschemata durch drei zentrale Symptomgruppen charakterisiert:

  1. intrusives (aufdringliches) Wiedererleben,
  2. Vermeidung traumarelevanter Reize bzw. reduzierte emotionale Reagibilität,
  3. Übererregtheit (körperlich, emotional, kognitiv).

Nach den Forschungskriterien des ICD-10 ist eine posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) folgendermaßen definiert:

A Die Betroffenen sind einem kurz- oder langdauernden Ereignis oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt, das nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde.

B Anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben der Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen (Flash-backs), lebendige Erinnerungen, sich wiederholende Träume oder durch innere Bedrängnis in Situationen, die der Belastung ähneln oder mit ihr in Zusammenhang stehen.

C Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang stehen, werden tatsächlich oder möglichst vermieden. Dieses Verhalten bestand nicht vor dem belastenden Erlebnis.

D Entweder 1. oder 2.

  1. Teilweise oder vollständige Unfähigkeit, einige wichtige Aspekte der Belastung zu erinnern.
  2. Anhaltende Symptome einer erhöhten psychischen Sensitivität und Erregung (nicht vorhanden vor der Belastung) mit zwei der folgenden Merkmale:
  • Ein- und Durchschlafstörungen
  • Reizbarkeit oder Wutausbrüche
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Hypervigilanz
  • erhöhte Schreckhaftigkeit

E Die Kriterien B, C und D. treten innerhalb von sechs Monaten nach dem Belastungsereignis oder nach Ende einer Belastungsperiode auf. (In einigen speziellen Fällen kann ein späterer Beginn berücksichtigt werden, dies sollte aber gesondert angegeben werden).

Man kann folgende Arten traumatischer Erfahrungen unterscheiden

  • Individuelle Gewalt: ständige körperliche Misshandlung als Kind, einmalige oder mehrfache Vergewaltigung, als Kind ständiger Zeuge von Gewalt in der Familie, Verbrechen wie z.B. Banküberfall, Entführung, Geiselhaft, versuchter Raubmord, Körperverletzung, Misshandlung, Folterung, angedrohte Ermordung.
  • Kollektive Gewalt: Erfahrung von Krieg, Kampfhandlungen oder Terrorismus, Kriegsverwundung (Abschuss als Pilot, Explosion einer Granate), Aufenthalt im Luftschutzkeller bei Fliegeralarm, gewaltsame Entwurzelung (Verschleppung, Verfolgung, Vertreibung), unmenschliche Haftbedingungen (Konzentrationslager, politisch motivierte Haft), Aussteiger aus Sekten.
  • Naturkatastrophen: Großbrand, Blitzschlag, Überschwemmung, Dammbruch, Bergrutsch, Lawinenunglück, Erdbeben, Vulkanausbruch, Tornados.
  • Technikkatastrophen: Zeuge oder Beteiligter an einem schweren Autounfall, Eisenbahn-, Schiffs- oder Flugzeugunglück, Explosion, Arbeitsunfall, Chemieunfall.
  • Körperliche oder psychische Extrembelastungen: Giftgasunfall, schwere Verbrennungen oder Schmerzzustände, Gehirnblutung, überlebter Herzstillstand, schwerer allergischer Schock, Knochenmarkstransplantation, lebensbedrohliche Erkrankung.

Nach der Auftretenshäufigkeit kann man zwei Arten von Traumata unterscheiden

  1. Einmalige traumatische Erfahrung: Überfall, Vergewaltigung, Unfall.
  2. Lange andauernde bzw. wiederholte traumatische Erfahrung: Krieg, jahrelanger sexueller Missbrauch, andauernde körperliche Misshandlung.

Menschen, die nicht nur ein seelisches Trauma erlitten haben, sondern auch körperlich verletzt wurden, erleben 5 mal so häufig eine posttraumatische Belastungsstörung wie Menschen, die “nur” ein seelisches Trauma erlebt haben. In den USA sind traumatische Erfahrungen in folgender Häufigkeit anzutreffen:

  • 12,9% der Frauen (12 Millionen) wurden mindestens einmal vergewaltigt.
  • In einer retrospektiven (rückblickenden) Untersuchung beschrieben die Opfer sexueller Angriffe in 35% der Fälle eine lebenslange und in 13% der Fälle eine zeitweilige posttraumatische Belastungsstörung. Von den Opfern schwerer nichtsexueller Angriffe berichteten 39% eine lebenslange und 12% eine zeitweilige posttraumatische Belastungsstörung.
  • In einer prospektiven Studie (Verlaufserhebung) zeigten sich bei 47% der Opfer sexueller Angriffe und bei 22% der Opfer nichtsexueller Bedrohungen drei Monate nach diesen Erlebnissen die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung.
  • Unter den Vietnam-Kriegsteilnehmern war bei 38% der Männer und bei 17,5% der Frauen eine zeitweilige posttraumatische Belastungsstörung nachweisbar.

Die Auswirkungen traumatischer Erfahrungen lassen sich über das DSM-IV hinausgehend folgendermaßen zusammenfassen

  • wiederholtes Erleben des Traumas (Intrusionen) in plötzlich sich aufdrängenden Erinnerungen (Flashbacks, d.h. Rückblenden), Tagträumen oder Alpträumen,
  • fortwährende Angst, das Ereignis könnte sich wiederholen,
  • Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die an das Trauma erinnern,
  • zwischenmenschliche Konflikte als Folge der Vermeidung von Situationen (Autofahrten, Reisen) oder Aktivitäten (sexuelle Kontakte), die an das Trauma erinnern,
  • Furcht vor und Vermeidung von Stichworten, die den Betroffenen an das ursprüngliche Trauma erinnern könnten,
  • gelegentlich akute und dramatische Ausbrüche von Angst, Panik oder Aggression, ausgelöst durch ein plötzliches Erinnern und intensives Wiedererleben des Traumas oder der ursprünglichen Reaktion darauf,
  • übermäßige Schreckhaftigkeit, Panikattacken, “existenzielle Angst”, chronische Angstzustände, übermäßige Beschäftigung mit dem Tod,
  • gestörte Wahrnehmung des Täters: übermäßige Beschäftigung mit der Person des Täters (auch Rachegedanken),
    unrealistische Einschätzung des Täters als allmächtig, Idealisierung, paradoxe Dankbarkeit oder Mitleid mit dem Täter,
  • emotionale Abgestumpftheit und Instabilität: ständiges Gefühl von Betäubt sein, emotionaler Rückzug, allgemeine Lustlosigkeit als Schutzreaktion vor emotionaler Überforderung, aber auch impulsives Verhalten,
  • soziale Beziehungsstörung: Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit gegenüber der Umwelt, Entfremdung von den Angehörigen,
  • vegetative Übererregbarkeit mit verschiedenen körperlichen Symptomen (Herzrasen, Schweißausbrüche,
    Kreislauflabilität, Ohnmachtsanfälle, Zittern, Übelkeit, Kopfschmerzen, Hyperventilation, Appetitverlust, Essstörung usw.),
  • dissoziative Symptome (z.B. psychogene Amnesie, d.h. Vergessen der Erlebnisse),
  • ständige Überwachheit und häufige Schlaflosigkeit (Ein- und Durchschlafstörung),
  • Verlust der Selbstachtung, Selbstvorwürfe, Scham- und Schuldgefühle,
  • Resignation, Gefühl einer Zukunft ohne Erwartung und Hoffnung,
  • Verlust der bisherigen Wertvorstellungen,
  • depressive Stimmung, öfters auch Selbstmordgedanken und Selbstbeschädigung,
  • Missbrauch von Alkohol, Tranquilizern oder Drogen als Bewältigungsstrategie,
  • Entwicklung von Kontrollzwängen zur Angstbewältigung (Kontrolle von Türschlössern und Fenstern aus Angst vor Eindringlingen),
  • Entwicklung funktioneller Sexualstörungen bei Vergewaltigungsopfern,
  • Konzentrationsstörung und Leistungsbeeinträchtigung in Schule oder Beruf,
  • Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit bis zur Berufsunfähigkeit.

Bei der posttraumatischen Belastungsstörung reichen Schrecken und Terror bis in die neuronalen Gehirnstrukturen hinein und bilden ein schwer löschbares “molekulares Angstgedächtnis”, dessen Grundlage nach Strian in mediobasalen Schläfenlappenstrukturen (Hippocampus und Amygdala) zu suchen ist. Diese Hirnregionen üben eine Kontrolle über die vegetativen und endokrinen Zentren von Hypothalamus und Hypophyse aus, was die oft nur mangelhafte Veränderbarkeit posttraumatischer Belastungsstörungen durch Pharmako- oder Psychotherapie erklärt.
Lerntheoretisch ausgedrückt, kommt es bei einer posttraumatischen Belastungsstörung trotz häufiger Konfrontation zu keiner Gewöhnung (Habituation). Erfolgreiche verhaltenstherapeutische Behandlungskonzepte bewirken während der angstaktivierenden Konfrontation mit den Ereignissen eine Neuformierung der Erinnerung durch Hinzufügung hilfreicher Elemente, z.B. andere Sichtweisen.

Die Betroffenen erhielten bislang meist eine Diagnose, die mit den Folgen dieser Störung zusammenhängt (z.B. reaktive Depression, Alkoholmissbrauch, Verhaltensstörung, dissoziative Störung). Die posttraumatische Belastungsstörung erfährt seit einigen Jahren auch im deutschen Sprachraum zunehmende Beachtung.

Neben dem bereits erwähnten Buch von Herman und dem von Saigh herausgegebenen Werk “Posttraumatische Belastungsstörung” sind das von Maerker herausgegebene Buch “Therapie der posttraumatischen Belastungsstörungen” und das allgemein verständliche Buch von Ehlers “Posttraumatische Belastungsstörung” sehr zu empfehlen. Diese Bücher bieten einen Überblick über Erscheinungsbild, Diagnostik, Erklärungsmodelle und Therapie dieser Störungen und beschreiben das therapeutische Vorgehen bei speziellen Traumagruppen.