Agoraphobie – Merkmale & Symptome

Die zentralen Merkmale kurzgefasst

A Als „Agoraphobie“ bezeichnet man die starke und anhaltende Furcht vor oder die Vermeidung von mindestens zwei der folgenden Situationen:

  • Menschenmassen
  • Öffentliche Plätze
  • Allein Reisen
  • Reisen, vor allem mit weiter Entfernung von Zuhause.

B Wenigstens einmal nach der Entwicklung der Störung müssen in den gefürchteten Situationen mindestens zwei der folgenden 14 Angstsymptome gleichzeitig aufgetreten sein (davon eines aus den ersten vier Symptomen):

  1. Herzrasen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz
  2. Schweißausbrüche
  3. fein- oder grobmotorisches Zittern
  4. Mundtrockenheit
  5. Atembeschwerden
  6. Beklemmungsgefühl
  7. Schmerzen oder Missempfindungen in der Brust
  8. Übelkeit oder Missempfindungen im Bauchraum (z.B. Unruhegefühl im Magen)
  9. Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit
  10. Gefühl, die Objekte der Umwelt sind unwirklich (Derealisation), oder man selbst ist weit entfernt oder „nicht wirklich hier“, wie wenn man neben sich stehen würde (Depersonalisation)
  11. Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“
  12. Angst zu sterben (als Reaktion auf die körperlichen Symptome)
  13. Hitzewallungen oder Kälteschauer
  14. Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle

C Es besteht eine starke emotionale Belastung durch das Vermeidungsverhalten oder die Angstsymptome, wobei die Betroffenen die Einsicht haben, dass ihre Reaktionen übertrieben oder unvernünftig sind.

D Die Symptome sind ausschließlich oder hauptsächlich auf die gefürchteten Situationen oder auf die Gedanken an diese beschränkt.

E Die gesamte Symptomatik ist nicht durch eine andere psychische Störung (z.B. Depression, Zwangsstörung oder Alkoholabhängigkeit) oder eine körperliche Erkrankung bedingt.

Die Störung kann in zwei Formen auftreten:

  • Agoraphobie ohne Panikstörung
  • Agoraphobie mit Panikstörung

Geschichtliche Aspekte

„Agora“ heißt im Altgriechischen „öffentlicher Platz“ oder „Marktplatz“. Die Bezeichnung Agoraphobie (auf Deutsch „Platzangst“) wurde erstmals 1871 verwendet, um die Angst vor weiten und offenen Plätzen sowie vor bestimmten Straßen zu charakterisieren. Bereits damals wurde erkannt, dass eine Agoraphobie auf der Angst vor körperlichen oder geistigen Symptomen beruht und diese Erwartungsangst („Angst vor der Angst“) durch die Anwesenheit von Vertrauenspersonen reduziert werden kann.

Sigmund Freud beschrieb als erster die Agoraphobie als Folge von Panikattacken.
Er meinte, in Wirklichkeit sei das, was der Kranke fürchte, das Ereignis eines solchen Anfalls unter speziellen Bedingungen, dass er glaube, ihm nicht entkommen zu können.

Angst vor öffentlichen Orten wurde früher der Angst vor engen Räumen (Klaustrophobie) gegenübergestellt. Heute versteht man unter Agoraphobie die Angst vor allen Orten und Situationen, wo im Falle einer Panikattacke, einer panikähnlichen Symptomatik (Ohnmachtsangst, Herzklopfen, Atemnot u.a.) oder eines sonstigen körperlichen Unwohlseins (vor allem Schwindel, Schwitzen, Harn- oder Stuhldrang) eine Flucht schwierig oder gar unmöglich wäre, eine hilfreiche und beruhigende Person nicht zur Verfügung steht und das Ertragen der gefürchteten Situation extrem belastend empfunden wird.

Die Kernsymptomatik

Eine Agoraphobie ist eine starke und anhaltende Furcht vor oder Vermeidung von mindestens zwei von vier Situationen (Menschenmengen, öffentlichen Plätzen, allein Reisen, weiten Reisen), wobei die Betroffenen mindestens zwei von 14 körperlichen und kognitiven Angstsymptomen aufweisen (siehe oben). Ausgelöst wird sie, wenn die Betroffenen ihre gewohnte und sichere Umgebung verlassen, keine schützenden und vertrauten Personen um sich haben und keine Fluchtmöglichkeit mehr vorfinden. Das zentrale Gefühl ist: „Du sitzt in der Falle!“ Es taucht zum einen die Angst auf, wildfremden Menschen ausgeliefert zu sein, zum anderen die Erleichterung, dass überhaupt jemand in der Nähe ist, der im Notfall Hilfe leisten könnte.

Kurzgefasst: Agoraphobiker leiden unter einer mangelnden Situationskontrolle.

Dahinter steht die Angst vor dem eigenen Körper, das heißt Angst, körperliche oder psychische Symptome nicht mehr kontrollieren zu können. Sie ist so dominant, dass weder vernünftige Argumente von außen noch positiv gemeisterte, ähnliche Situationen etwas fruchten – die agoraphobische Angst bleibt. Die Betroffenen befürchten, die Kontrolle über sich und ihren Körper zu verlieren, plötzlich ohnmächtig umzufallen und womöglich mit einem Herzinfarkt hilflos liegen zu bleiben.

Nicht weniger Angst macht die Vorstellung, öffentlich einen Schrei- oder Weinkrampf oder gar einen Tobsuchtsanfall zu bekommen oder „durchzudrehen und verrückt zu werden“. Das häufige Gefühl, „neben sich zu stehen“, spiegelt ein stressbedingtes Entfremdungsgefühl gegenüber sich selbst (Depersonalisation) oder gegenüber der Umwelt (Derealisation) wider und ist nicht – wie oft befürchtet wird – Ausdruck einer beginnenden Schizophrenie! Die Betroffenen leiden auch oft unter einem chronischen Schwindel, was im Vorfeld schon zu einer Einschränkung an körperlicher Bewegung geführt hat.

Wie versuchen in der Regel Agoraphobiker, mit ihrem Problem fertig zu werden?
Indem sie es möglichst vermeiden! Agoraphobiker entwickeln geradezu perfide Strategien im Vermeiden der Angst machenden Situationen. Somit können sie nie die Erfahrung machen, dass das Problem gar nicht so gefährlich und durchaus bewältigbar wäre. Das führt wie der Dominoeffekt zu einem immer größeren Meidungsverhalten bis hin zur völligen sozialen Isolation. Vom früheren Selbstbewusstsein ist dann kaum mehr etwas vorhanden. Diese Vermeidungsstrategie erklärt auch die paradoxe Situation, dass manche Agoraphobiker relativ wenig Angst erleben.

Eine Agoraphobie unterscheidet sich von einer spezifischen Phobie (z.B. ausschließlich Angst vor dem Liftfahren oder vor dem Fliegen) durch den Umstand, dass eine Unzahl an Orten und Situationen gefürchtet wird, so dass man auch von einer „multiplen Situationsphobie“ spricht.

Agoraphobie umfasst viele Orte und Situationen

Es gibt eine Fülle von Situationen, die gemieden oder nur mit Unbehagen ertragen werden können, besonders wenn diese ohne den Schutz einer Begleitperson aufgesucht werden müssen:

  • Aufenthalt im Freien unter vielen Menschen oder bei fehlender Fluchtmöglichkeit: öffentliche Plätze überqueren, unbekannte Stadtteile aufsuchen, in überfüllten Fußgängerzonen bummeln,öffentliche Veranstaltungen besuchen, in einem Verkehrsstau stecken, durch einen längeren Tunnel fahren, mit dem Auto bei Nebel (das heißt ohne Sicht) unterwegs sein, mit dem Fahrrad eine längere Strecke in freier Landschaft fahren, mit dem Boot einen tiefen See überqueren, durch einen Badesee schwimmen, über eine Brücke gehen, einen Berg besteigen, einen Waldlauf unternehmen. Nur wenige Menschen mit Agoraphobie fürchten sich – im Gegensatz zur landläufigen Meinung – vor großen, leeren Plätzen, und zwar deshalb nicht, weil dort gewöhnlich keine Bewegungseinschränkung besteht.
  • Berufliche oder private Reisen über einen bestimmten Radius hinaus, Reisen in anderssprachige Länder sowie in unbekannte Gegenden weit weg von Zuhause.
  • Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel (Zug, Bus, Straßenbahn, U-Bahn, Flugzeug, Schiff, Sessellift, Aufzug, Rolltreppen), manchmal auch des eigenen Autos, vor allem Fahrten auf Autobahnen, wo bei vermeintlicher Gefahr kein Entkommen möglich ist.
  • Aufenthalt in öffentlichen oder halb öffentlichen Räumen, besonders wenn diese überfüllt sind: Geschäft, Supermarkt, Kirche, Kino, Museum, Theater, Konzertsaal, Stadion, Bank, Behörde, Krankenhaus, Wartezimmer bei Ärzten, Gaststätte, Café, Diskothek, Kantine, Hörsaal, öffentliche Toilette, Friseursalon, Umkleideraum in Kleidergeschäften, Sauna, Hallen- oder Freiluftbad, Friedhof, Schlange stehen in Geschäften und bei Behörden, Arbeit in einem Großraumbüro, Besuch des Elternsprechtags oder einer Elternveranstaltung in der Schule, Teilnahme bei einer Betriebsversammlung, Sportveranstaltung oder großen Feier (z.B. Hochzeit).
  • Aufenthalt in engen, hohen, geschlossenen oder dunklen Räumen: Lift, Raum ohne Fenster, Toilette oder Badezimmer mit verschlossener Tür, Diskothek, Turnsaal, Kellerraum, Höhle, unterirdischer Gang, Tunnelgang, Passage, Hochhausraum, Kirchturm, Fernsehturm, dunkles Schlafzimmer, Aufenthalt allein in einem großen Raum. Bei einer Liftphobie spricht die Angst vor dem Steckenbleiben oder Ersticken für eine Agoraphobie, die Angst vor den Blicken anderer für eine Sozialphobie, die Angst vor dem Abstürzen des Lifts für eine Höhenphobie.
  • Vereinbarung von Treffen mit anderen Leuten unter „unsicheren“ Bedingungen.

Die Angst vor der Angst – hinter der Angst vor Orten und Situationen steht die Angst vor dem eigenen Körper

Agoraphobie-Patienten fürchten sich panisch davor, in bestimmten Situationen mit den unangenehmen Reaktionen ihres eigenen Körpers nicht mehr fertig zu werden. Da sie glauben, ihren Körper nur mangelhaft kontrollieren zu können, vermeiden sie strikt alle Orte und Situationen, die dazu führen könnten. Eigentlich haben Agoraphobiker gar nicht Angst vor den äußeren, sondern vor ihren eigenen inneren Zuständen, denen sie sich hilflos ausgeliefert fühlen.

Besonders schlimm ist es für die Betroffenen, wenn sie wissen, dass vielleicht in einer Woche der Besuch eines besonderen Konzertes ansteht. Es entstehen Erwartungsängste, die oft so dominant werden, dass kaum mehr eine Chance besteht, die Situation so halbwegs entspannt anzugehen und durchzutauchen. Die Angst vor der Angst hat gesiegt. Und wenn sich der Betroffene doch durchgerungen hat, sich dem gefürchteten Ereignis zu stellen und dieses sogar als positiv und angenehm erlebt hat, wird er trotzdem bei der nächsten ähnlichen Erfahrung die gleichen extremen Erwartungsängste verspüren und sich ihnen hingeben.

Agoraphobie-Patienten können mit einem gewissen Restrisiko, mit potentiellen Gefahren und der Unsicherheit, wie eine Situation sein wird, mental nicht richtig umgehen.

Zwei Arten der Agoraphobie

Eine Agoraphobie kann mit oder ohne Panikstörung auftreten, sie entsteht oft als Folge nicht bewältigter Panikattacken. Rückfälle bei einer Agoraphobie hängen häufig mit einer oder mehreren weiteren Panikattacken zusammen.

Im klinischen Bereich weisen die meisten Menschen mit Agoraphobie tatsächlich auch Panikattacken auf, während diese Kombination nach umfangreichen Befragungen der Durchschnittsbevölkerung nur bei etwa der Hälfte der Agoraphobie-Patienten vorhanden ist. Als Auslöser für eine Agoraphobie ohne Panikstörung gelten gewöhnlich einzelne körperliche Symptome wie Schwindel, Ohnmachtsangst, plötzlicher Harn- oder Stuhldrang oder allgemeine Schwächegefühle.

Eine Panikattacke in einer eindeutig phobischen Situation (z.B. im Lift, auf der Autobahn, in einem Supermarkt) zeigt nur den Schweregrad der Phobie an und macht noch keine Panikstörung aus, zu der auch Angstattacken „aus heiterem Himmel“ gehören. Verschiedene „Agoraphobiker“ haben laut Nachuntersuchungen eher eine
spezifische Phobie als eine Agoraphobie im Sinne einer multiplen Situationsphobie.

Lästiger Schwindel

Agoraphobiker fühlen sich oft schwindlig und unsicher auf den Beinen, der Boden scheint zu wanken und nicht ausreichend stabil zu sein. Sie haben den Eindruck, auf Wolken oder Watte zu gehen oder zu schweben, ohne sichere Bodenhaftung.
Häufig fürchten sie, nach dem Umfallen hilflos auf dem Boden liegen bleiben zu müssen, nicht selbst aufstehen zu können, einer gaffenden Menge ausgeliefert und auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, die im Bedarfsfall vielleicht nicht einmal erfolgt.

Die Betroffenen haben jedoch weder einen Kreislaufschwindel noch einen Drehschwindel, sondern einen Schwankschwindel. Dieser wird durch das Gleichgewichtszentrum im Hirnstamm ausgelöst, das auf die chronische muskuläre Verspannung mit einem Schwindelreiz als Alarmsignal reagiert. Kennen Sie den Spruch von der „Angst im Nacken“? Er verweist auf eine massive Schulter-Nacken-Verspannung, unter der Agoraphobiker häufig leiden. Die Anspannung zeigt sich auch im übrigen Körper: die Fußsohlen liegen nicht voll und entspannt auf dem Boden auf, die Beine sind angespannt, ohne federndes Sich-Durchbeugen und Ausbalancieren, das Rückgrat ist steif und unelastisch (wie wenn ein „Stock im Kreuz“ wäre), aus Angst vor dem Fall wird der Schwerpunkt gehoben statt gesenkt.

Tausend Tricks und Notlügen

Um das Leben bewältigen zu können, greifen die Betroffenen in ihrer Not oft zu tausenden Tricks und Ausflüchten und spielen vor sich und den anderen ein perfektes Theater. Fachleute sprechen von so genannten Sicherheitssignalen, die die Angst reduzieren sollen:

  • Beruhigungsmittel in der Handtasche als Talisman;
  • Handy in der Hosentasche mit eingespeicherten Notrufnummern;
  • Trinkflasche oder Lutschtabletten zur Verhinderung von lästiger Mundtrockenheit oder Engegefühlen in der Kehle;
  • Aktivitäten nur zusammen mit dem Partner, den Kindern, anderen vertrauten
    Personen oder mit einem Hund an der Leine;
  • ständige Orientierung, wo der nächste Arzt oder das nächste Krankenhaus ist, was zu Problemen bei Reisen in fremde Länder führt, weil man unbekannten, nicht Deutsch sprechenden Ärzten kaum trauen kann;
  • etwas zum Festhalten als Gehhilfe bei Schwindel oder Ohnmachtsangst:
    Spazierstock, Schirm, Kinderwagen, Einkaufswagen, eine Wand oder Einrichtungsgegenstände als „Anhaltspunkte“.

Gerne werden auch Ausreden eingesetzt, um gefürchteten Situationen zu entkommen, sodass das wahre Ausmaß der Symptomatik selbst Freunden und Verwandten lange Zeit gar nicht auffällt – oft nicht einmal den Betroffenen selbst.

Beliebte „Notlügen“ sind z.B.

  • „Ich habe Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden, Magenschmerzen u.a.“
  • „Ich glaube, ich werde krank, ich muss nach Hause gehen.“
  • „Ich kann leider nicht so lange bleiben, weil ich zu Hause noch eine dringende Arbeit erledigen muss.“
  • „Ohne meinen Mann habe ich keine Lust, dorthin zu gehen.“

Unterschiedliche Ausprägungen der Agoraphobie

Eine Agoraphobie ist oft unterschiedlich stark ausgeprägt, was für die Betroffenen sehr zermürbend ist. Sie können angesichts der schwankenden Symptomatik oft keinen roten Faden erkennen – einmal sind dieselben Situationen leichter, einmal schwerer zu bewältigen, je nachdem, ob es sich um „gute“ oder „schlechte“ Tage handelt. Diese Schwankungen sind eine Quelle der Unsicherheit, Unvorhersagbarkeit und Hilflosigkeit!

Ohne Erschöpfungsdepression bringen längere Krankenstände zur Erholung und Entspannung meist keine Besserung. Im Gegenteil: die Agoraphobie kann ohne den Zwang, einen bestimmten Tagesablauf zu bewältigen, erst so richtig ausufern.
Daher kann sich die Symptomatik bei Hausfrauen, Studenten und Selbstständigen rasch verschlechtern.

Folgen der Agoraphobie

Wenn eine Agoraphobie nicht erfolgreich behandelt oder vielleicht erst gar nicht richtig erkannt wird, erfolgt im Laufe der Zeit unumgänglich eine geradezu lebenseinengende Behinderung. Selbstbewusstsein und Zukunftshoffnung schwinden derart, dass Betroffene, Außenstehende und Ärzte schließlich nicht mehr wissen, ob die schützende Wohnung aus hemmender Angst, antriebslähmender Depression oder beidem nicht mehr verlassen werden kann. Es kommt zu einem Teufelskreis: eine nicht bewältigbare oder bewältigte Agoraphobie führt oft zu einer Depression,
die wiederum die Phobie verstärkt, so dass ein chronischer Verlauf leider sehr wahrscheinlich wird.

Klar, dass im Laufe der Zeit die ganze Familie mitleidet: Urlaube, Ausflüge, Restaurantbesuche, selbst Einkäufe oder die Fahrt in die Arbeit sind kaum mehr oder nur unter sehr belastenden Umständen möglich. Ständige familiäre Spannungen sind vorprogrammiert, wenn der Rest der Familie die Agoraphobie des Betroffenen nicht mehr länger ertragen kann oder unterstützen will.

Damit dreht sich die Leidensspirale für den Betroffenen aber nur weiter – er wird sich immer konsequenter aus allen sozialen Kontakten zurückziehen, was bis zur Arbeitsunfähigkeit führen kann. Erschreckend ist: ein Drittel der Patienten lebt so eingeschränkt, dass die Erfüllung der beruflichen und familiären Verpflichtungen nicht mehr möglich ist.

Nicht selten greifen Agoraphobiker zu Alkohol oder Beruhigungsmitteln als falsch verstandene Selbstbehandlungsstrategie, bis eine weitere Abhängigkeit entstanden ist. Ohne Behandlung bleibt eine Agoraphobie oft für immer oder zumindest über viele Jahre bestehen. Patienten mit einer Kombination von Agoraphobie und Depression haben unbehandelt eine schlechtere Prognose als solche mit einer reinen Angststörung oder einer reinen Depression.

Wie ein Behandlungsdruck von außen entsteht

Jahrelang kann es ja auch gut gehen: das perfekte Überspielen der Agoraphobie, die ausgeklügelten Argumentationsketten, warum bestimmte Dinge nicht möglich sind usw. Eine gewisse Zeit kann man sich und die Umgebung ganz gut täuschen – nur irgendwann fällt das Kartenhaus aus Ausreden und Ausflüchten in sich zusammen.

Akuter Behandlungsbedarf besteht bei

  • zunehmender Unfähigkeit, außerhalb des geschützten Arbeitsplatzes zu agieren,
  • notwendiger beruflicher Weiterbildung in einer fremden Stadt, in der man nicht allein in einem Hotelzimmer übernachten kann,
  • beruflichem Aufstieg durch Versetzung an einen anderen Ort,
  • plötzlich erforderlichen Aktivitäten im Freizeitbereich (Einladungen, Reisen, Einkaufsfahrten), die ohne Sicherheitsgarantien (Anwesenheit des Partners, Beruhigungsmittel) nicht möglich sind,
  • massivem Druck durch den Partner, der ankündigt, sich aus der Partnerschaft zurückzuziehen und zunehmend eigene Aktivitäten entfaltet,
  • plötzlichem Ausstieg des Partners aus der Rolle des Symptomverstärkers.