Psychogener Bluthochdruck – Wenn der Blutdruck entgleist

„Wenn das Blut in Wallung kommt, so ist die Vernunft nicht mehr Meister der Sinnlichkeit; verschiedene Arten von Temperamentsfehlern werden dann offenbar!“
Adolf Freiherr von Knigge

Aus dem Lot durch Stress und Ärger

Frau Maier, 37 Jahre alt, Sekretärin, verheiratet, ein Kind, leidet seit zwei Jahren unter einem schwankenden Blutdruck. Am höchsten ist er während der Arbeitszeit, am niedrigsten bzw. normal im Urlaub. Mehrere kardiologische Untersuchungen bei verschiedenen Fachärzten ergeben keinen Hinweis auf eine Herz-Kreislauf-Erkrankung. Die Symptomatik setzte zeitlich mit der Übernahme des Betriebs durch den Junior-Chef ein, der sie zweimal sexuell belästigt hat. Sie fühlt sich ihrem Chef ohnmächtig ausgeliefert, weil eine Kündigung mangels anderer Arbeitsplätze in der Gegend das existenzielle Aus bedeuten würde. Aus Angst arbeitet sie mehr Stunden, als sie bezahlt bekommt, und ärgert sich dann oft darüber, dass ihr Chef dies für selbstverständlich erachtet.

Dazu kommen familiäre Streitigkeiten: Ihr Mann versteht ihre Situation überhaupt nicht, wird allmählich zum Alkoholiker und bedrängt sie in diesem Zustand sexuell. Sie fühlt sich auch ihm gegenüber hilflos ausgeliefert, da eine Scheidung zumindest gegenwärtig nicht in Frage kommt. Frau Maier hat nie gelernt, dem Chef oder ihrem Mann ihren Ärger mitzuteilen oder mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Innerlich voller Wut, wirkt sie äußerlich anderen Menschen gegenüber immer freundlich und unauffällig. Sie schluckt alles hinunter, während ihr Blutdruck in die Höhe schnellt. Als ihr Hausarzt, der über ihre Situation informiert ist, ein Blutdruckmedikament verschreiben will, möchte sie vorerst einmal mit einer Psychotherapie versuchen, ihren labilen Blutdruck in den Griff zu bekommen.

„Auf 180 sein“: Blutdruck und Psyche

Das Herz pumpt das Blut zur Versorgung des Körpers mit Sauerstoff und Nährstoffen in das Gefäßsystem, in dem je nach Energiebedarf unterschiedliche Druckhöhen bestehen. Unter Blutdruck versteht man den vom Herzmuskel erzeugten Druck, unter dem die Blutmasse des ganzen Körpers durch die Arterien (vom Herzen wegführende Gefäße) getrieben wird. Der Blutdruck ist abhängig von der Pumpleistung (Schlagkraft) des Herzens und dem Widerstand des arteriellen Gefäßsystems. Der Blutdruck steigt durch die erhöhte Herztätigkeit und die Verengung der arteriellen Blutgefäße der Haut.

Der höhere (systolische) Wert bezeichnet den Blutdruck bei der Kontraktion des Herzens, wenn das Herz mit maximaler Leistung das Blut auswirft. Der niedrigere (diastolische) Wert beschreibt die Restspannung im Gefäßsystem bei der Erschlaffung (Ruhephase) des Herzmuskels und stellt ein Maß für die Elastizität des arteriellen Gefäßsystems dar. Ein zu hoher diastolischer Blutdruck (über 95 mm Hg) weist auf eine Verengung der Gefäße durch Verkalkung oder durch chronische psychische Anspannung hin. Der Blutdruck ist keine konstante Größe, sondern schwankt in Abhängigkeit von der Tageszeit (am niedrigsten in der Nacht), der Jahreszeit, der Aktivität, emotionalen Faktoren und zahlreichen anderen Bedingungen.

Der Blutdruck wird in Millimeter Quecksilbersäule (mm Hg) gemessen. Er gilt als optimal („normoton“) um 120/80 mm Hg und wurde früher als „noch“ normal angesehen bei 130-139/85-89 mm Hg. Eine Hypertonie (Bluthochdruck) besteht bei Werten über 160/95 mm Hg, mehrfach gemessen am Oberarm nach fünf Minuten Sitzen über einen Zeitraum von drei Monaten, eine Hypotonie (niedriger Blutdruck) bei Werten unter 100/70-65 mm Hg. Als Grenzwerthypertonie galt bisher ein Blutdruck von 140-160/90-95 mm Hg. Aufgrund neuester Erkenntnisse wurde von der amerikanischen Gesundheitsbehörde ein Blutdruck von 120/80 als normal und wünschenswert erklärt, während systolische Werte von 121-140 bereits zu einer Gefäßwandschädigung führen können und daher als „Vor-Bluthochdruck-Phase“ bezeichnet werden.

Die emotionale Komponente des Blutdrucks kommt in einigen Redewendungen gut zum Ausdruck: Man ist auf 180. Das Blut gerät in Wallung oder es kocht in den Adern. Jemand behält nur schwer ruhig Blut und es schwellen ihm die Adern an. Da hilft nur: ruhig Blut bewahren!

Die psychische Befindlichkeit beeinflusst die Höhe des Blutdrucks direkt und stark: bei Wut, Ärger, Angst, Aufregung und Stress steigt er im Extremfall bis zu 240/130 mm Hg an. Wenn er stressbedingt dauerhaft erhöht ist, kann eine funktionelle Störung in eine organische übergehen. Der Körper lernt dies als Normalzustand zu verstehen und verlernt die Maßnahmen zur Senkung des Blutdrucks. Bei Ruhe und Entspannung sinkt der Blutdruck infolge der reduzierten Herztätigkeit und der Erweiterung der kleinen arteriellen Blutgefäße der Haut. Schock- und Schreckreaktionen sowie überfordernder Stress führen zu einer parasympathischen Überaktivität mit starkem Blutdruckabfall bis hin zum Kreislaufzusammenbruch. Subjektiv macht sich dies bemerkbar in Schwindelgefühlen, eventuell sogar in kurzer Ohnmacht.

Die Aktivität des sympathischen Nervensystems führt zur Umverteilung des Blutes im Körper: Dies bewirkt eine Erhöhung des arteriellen Blutdrucks, eine Beschleunigung der Herzfrequenz und eine stärkere Durchblutung der Muskeln, während die Durchblutung des Magen-Darm-Bereichs, der Nieren und der Haut abnimmt.

Die körperlichen Veränderungen bei einer Stressreaktion erfolgen über die so genannte Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse. Ziel des Dauerstresshormons Kortisol ist vor allem die Blutdrucksteigerung, um dem Körper mehr Energie zur Verfügung zu stellen; diese wird bei emotionalem Stress mangels Bewegung jedoch nicht abgerufen. Bluthochdruck-Patienten weisen eine erhöhte Ausscheidung des Blutdruck steigernden Dauerstresshormons Kortisol auf. Hypertoniker neigen bereits zur Blutdruckerhöhung in Situationen, die bei Menschen mit normalem Blutdruck zu keinen Veränderungen führen.

Blutdruckschwankungen und Kreislaufstörungen kommen auch bei verschiedenen psychischen Störungen vor. Bei Panikattacken oder Alkoholentzug steigt der Blutdruck, bei Depressionen kann der Blutdruck fallen. Angst- und Panik-Patienten haben oft große Angst vor Herzrasen, weil sie dies aufgrund medizinischen Unwissens mit der drohenden Gefahr eines Herzinfarkts verbinden, tatsächlich jedoch weisen sie bei Panikattacken oft nur einen geringfügig erhöhten Puls auf, den sie aufgrund ihrer gesteigerten Herzschlagwahrnehmung überbewerten.

Psychosomatisch relevante Blutdruckstörungen

Funktionelle Störungen Somatoforme autonome Funktionsstörungen des kardiovaskulären Systems:

  • hypertone Fehlregulation (Situationshypertonie, sympathikovasaler Anfall)
  • hypotone Fehlregulation (vagovasale Synkope)
Organisch fundierte Störungen Primäre Blutdruckstörungen:

  • essenzielle Hypertonie
  • essenzielle Hypotonie

Funktionelle Störungen

Hypertone Fehlregulation

Eine Situationshypertonie ist eine vorübergehende, kurzfristige hypertone Regulationsstörung; dabei ist der Blutdruck – bedingt durch psychische Faktoren wie Stress, Ärger, Wut oder Angst – immer wieder erhöht, im Rahmen einer 24-Stunden-Blutdruckmessung findet sich jedoch ein normales Blutdruckprofil mit einem Tagesmittel unter 140 mm Hg. Aus ständigen Blutdruckschwankungen im Sinne eines labilen Bluthochdrucks kann über einen längeren Zeitraum ein stabiler Bluthochdruck entstehen, bedingt durch Anpassungsvorgänge des Gefäßsystems (z.B. Verdickung der Gefäßwand, vor allem der Nierengefäße), und zwar auch dann, wenn die den Bluthochdruck ursprünglich verursachenden Faktoren weggefallen sind.

Ein sympathikovasaler Anfall ist eine psychisch bedingte Unruhe und Anspannung (bewirkt durch Stress, Wut, Ärger, Schlafmangel usw.) und führt plötzlich zu Tachykardie (120-160 Herzschläge/Minute) und Bluthochdruck (Werte bis 240/110 mm Hg), häufig in Verbindung mit Hyperventilationsneigung, Schweißausbruch und Todesangst.

Hypotone Fehlregulation (vagovasale Synkope)

Eine Synkope ist ein vorübergehender, einige Sekunden bis wenige Minuten dauernder Bewusstseinsverlust sowie Spannungsverlust der Haltemuskulatur. Auslöser ist eine vorübergehende zu geringe Durchblutung oder Stoffwechselstörung jener Gehirnregionen, die das Bewusstsein aufrechterhalten. Dabei treten nach zwei bis drei Sekunden Symptome wie Schwäche, Benommenheit, Schwarzwerden vor den Augen und Schwindel auf, nach zehn Sekunden setzt die Bewusstlosigkeit ein, nach zehn bis zwanzig Sekunden treten zusätzlich noch Muskelkrämpfe auf. Vagovasale Synkopen werden oft ausgelöst durch plötzlichen Schreck, mentalen oder emotionalen Stress und Schmerzzustände, wobei zahlreiche Betroffene diesen Auslösern gegenüber besonders sensibel sind. Die Ursache liegt in einer biologischen Reaktion mit einer Mehrdurchblutung der Muskulatur zur Vorbereitung einer Fluchtreaktion, die jedoch aufgrund einer zentralen Hemmung nicht ausgeführt wird, sodass relativ viel Blut in den Beinen verbleibt und der verminderte Rückstrom des Blutes zum Herzen eine vorübergehende Mangeldurchblutung des Gehirns bewirkt.

Synkopen sind ein Symptom und keine bestimmte Krankheit. Neben zahlreichen organisch bedingten Synkopen gibt es auch funktionell bedingte, die sogar den Großteil der Fälle darstellen. Im psychosomatischen Kontext bedeutsam ist vor allem die vagovasale Synkope. Sie ist meist ein Resultat der so genannten orthostatischen Hypotonie (damit ist ein Blutdruckabfall bei längerem Stehen gemeint, wenn das Blut in den Beinen versackt). Ihre Vorzeichen sind: Schwindel, Benommenheit, Schwarzwerden vor den Augen, Muskelschwäche, Übelkeit, Schweißausbruch, Unruhe, Blässe, Seufzeratmung, Gähnen (als Zeichen von Sauerstoffmangel). 30 % aller gesunden Erwachsenen haben schon einmal eine vagovasale Synkope erlebt.

Angst- und Panik-Patienten haben oft große Angst vor Ohnmacht durch einen niedrigen Blutdruck; dies ist aber völlig unbegründet, denn bei Panikattacken steigt der Blutdruck im Gegenteil oft sogar stark an. Lediglich bei drei Viertel der Menschen mit einer Blut-, Verletzungs- oder Spritzenphobie ist der Blutdruck schon einmal so weit abgefallen, dass sie eine kurze Ohnmacht erlebt haben. Bei etwa zwei Drittel der Menschen, die einmal eine situationsbedingte Synkope erlebt haben (z.B. bei schwülem Wetter oder einem Hitzestau), bleibt es bei diesem einmaligen Ereignis. Die Erfahrung einer Synkope, die subjektiv als Todesgefahr empfunden wird, kann ein derart einschneidendes Erlebnis sein, dass die Betroffenen ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten im Sinne einer Platzangst (Agoraphobie) entwickeln und einen sozialen Rückzug antreten aus Angst, unangenehm aufzufallen – was in weiterer Folge zu immer größerer Ängstlichkeit und Depressivität führt.

Organische Störungen

Arterielle Hypertonie

Hypertonie gilt vielfach als Volkskrankheit Nummer 1: Ein behandlungsbedürftiger Bluthochdruck findet sich bei 20 bis 25 % der Bevölkerung. Bedenklich sind auch folgende Daten: Nur etwa die Hälfte der Hypertoniker ist angemessen diagnostiziert, bei rund zwei Drittel der diagnostizierten Bluthochdruck-Patienten erfolgt keine ausreichende Therapie, das heißt der Blutdruck liegt nicht im Normbereich.

Bluthochdruck bedeutet, dass sich das Herz zu sehr anstrengen muss, um das Blut zur Versorgung des Gewebes durch den Körper zu pumpen. Der Blutdruck wird zu hoch, weil das Herz mit jedem Zusammenziehen eine erhöhte Blutmenge ausstoßen oder einen erhöhten Widerstand der Arterienwände überwinden muss. Deswegen wächst der Herzmuskel an, benötigt nun aber noch mehr Sauerstoff, der jedoch gerade bei Gefäßverkalkungen nur unzureichend zugeführt wird. Arterielle Hypertonie ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für eine Arteriosklerose, weshalb eine Blutdruckstabilisierung unbedingt erforderlich ist.

Bluthochdruck wird von den Betroffenen oft gar nicht erkannt, weil eigentlich kaum spezifische Beschwerden auftreten. Allgemeine Unruhe und Nervosität, kräftiger spürbarer Puls am Handgelenk, pochende Schläfen und pulsierende Kopfschmerzen (insbesondere bei Anstrengung), Hitzegefühl, gerötetes Gesicht bei leichter Anstrengung, Schwindel (oft mit Ohrensausen und Flimmern vor den Augen), Kribbeln in Armen und Beinen, Wetterfühligkeit, Nasenbluten, leichter Druckschmerz in der Brust, Atemnot (besonders bei physischem und psychischem Stress), Herzbeschwerden, Müdigkeit und Leistungsminderung sind oft bereits Symptome einer Hypertonie und nicht einfach deren Vorzeichen. Langzeitschäden sind Beeinträchtigungen des Herzens, der Nieren, der Augen und der Hirngefäße. Die Spätfolgen äußern sich in Form einer Sklerose, das heißt einer Verhärtung und Verengung der Gefäße, die eine Minderdurchblutung mit der Gefahr eines Herzinfarkts oder eines Schlaganfalls bewirkt.

Bei etwa 95 % der Fälle von erhöhtem Blutdruck besteht eine essenzielle oder primäre Hypertonie, das ist ein gewöhnlich lebenslang vorhandener Bluthochdruck ohne erkennbare Grundkrankheiten – zumindest sind mögliche Ursachen bislang unbekannt. Die sekundäre Hypertonie als Folge von Krankheiten, vor allem von Nierenerkrankungen, tritt dagegen nur bei etwa 5 % auf. Eine essenzielle Hypertonie ist jedenfalls als multifaktorielles Krankheitsbild anzusehen: Ungesunde Ernährung, Übergewicht, mangelnde Bewegung, überhöhter Salzkonsum, zu viel Alkohol und Nikotin sowie Vererbung und verschiedene Grunderkrankungen (z.B. Diabetes) tragen ebenso dazu bei wie chronischer familiärer, partnerschaftlicher oder beruflicher Stress und verschiedene Persönlichkeitsaspekte (vor allem ständiger Ärger oder chronische Angst). Stress führt zur Zurückhaltung von Wasser und Salz sowie zur Ausschüttung des Hormons Renin, was sich negativ auf die Nierenfunktion auswirkt und über diesen Weg einen Bluthochdruck begünstigt. Emotional bedingter Stress ist eine Indikation für eine psychologisch-psychotherapeutische Behandlung.

Hypotonie

Niedriger Blutdruck ist keine Krankheit, sondern ein Zustand. Wenn es sich dabei doch um eine krankheitswertige Störung handelt, können die folgenden Informationen nützlich sein: Bei einer essenziellen Hypotonie sind die Gefäße durch eine Fehlsteuerung der Gefäßnerven so erweitert, dass die vom Herzen ausgeworfene Blutmenge nicht ausreicht, um einen normalen Blutdruck herzustellen. Dies führt zu Blut- und Sauerstoffmangel im Gehirn sowie zu Beeinträchtigungen aller Körperfunktionen. Unangenehm niedriger Blutdruck äußert sich in folgenden Symptomen: Müdigkeit, Antriebsschwäche, Erschöpfung, Unlust, Konzentrations- und Leistungsschwäche, Schwindelgefühle, Ohnmachtsneigung, Ohrensausen, Kopfschmerzen, Schwarzwerden vor den Augen, blasses Gesicht, kalte Hände und Füße, Herzschmerzen (Mangeldurchblutung des Herzmuskels und damit Sauerstoffmangel), Herzklopfen (Ankurbelung des Blutdrucks), Herzstechen, Krämpfe innerer Organe (Mangeldurchblutung), Übelkeit, Appetitlosigkeit, Magendrücken, Blähungen, bei Frauen oft Unterleibskrämpfe, Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, depressive Verstimmung, Wetterfühligkeit, erhöhtes Schlafbedürfnis, Durchschlafstörung (Blutleere im Gehirn, besonders zwischen 2 Uhr und 4 Uhr).

Psychosomatische Konzepte

Psychologische Faktoren

Ein vorübergehender Blutdruckanstieg ohne körperliche Betätigung ist Ausdruck einer starken emotionalen Betroffenheit mit entsprechender Aktivierung des sympathischen Nervensystems. Gefühle wie Wut, Ärger oder panikartige Angst führen zu einer plötzlichen, einige Zeit andauernden Blutdrucksteigerung, die die Betroffenen als sehr bedrohlich interpretieren, sodass ein weiterer Anstieg erfolgt und verstärkte Besorgnis besteht. Die gewöhnlich herzgesunden Betroffenen möchten entweder ständig oder zur Vermeidung von Beunruhigung am liebsten nie den Blutdruck messen, sodass sie in der Therapie neben der Bearbeitung der Hintergrundsprobleme auch einen angemessenen Umgang mit dem Blutdruckmessgerät erlernen sollten.

Die Zusammenhänge zwischen psychosozialen Gegebenheiten und Blutdruck kann man nur dann wirklich verstehen, wenn man den Einfluss der verschiedenen Faktoren wie Nierenfunktion, vegetatives Nervensystem und Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-System berücksichtigt – Wechselwirkungen, die in Zukunft noch besser erforscht werden müssen. Bluthochdruck entsteht durch Veränderungen der Nierenfunktion. Wenn psychosoziale Faktoren tatsächlich eine Blutdrucksteigerung bewirken können, muss dies über die Beeinflussung der Nierentätigkeit erfolgen. Bei akutem Stress steigt in der Niere der Gefäßwiderstand an, der Blutfluss fällt ab, Salz wird nur in geringem Ausmaß ausgeschieden – der Blutdruck steigt.

Wenn großer Stress, Ärger oder Angst lange genug andauern, können die überhöhte Sympathikusaktivität (vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen) und die verminderte Parasympathikusaktivität (zu wenig Ruhe und Erholung) zu einem dauerhaft erhöhten Bluthochdruck führen. Denn es kommt dabei auch zur vermehrten und anhaltenden Ausschüttung von Stresshormonen (Kortisol), Glukose und Insulin. In Verbindung mit den bekannten Risikofaktoren können psychosoziale Belastungen wie hoher beruflicher Stress, Emigration, Katastrophen und Krieg zu vorübergehendem oder bleibendem Bluthochdruck führen. Blutdrucksteigernd wirkt vor allem auch ein Missverhältnis zwischen hohen beruflichen Anforderungen und geringer Entlohnung.

Interessant ist, dass der Blutdruck bei Ärger stärker ansteigt als bei Angst und Furcht. Das haben 24-Stunden-Blutdruckmessungen ergeben. Menschen mit unterdrücktem Ärger entwickeln laut Studien im frühen Erwachsenenalter eher eine Hypertonie und weisen im Vergleich zu anderen Personen eine erhöhte Todesrate auf. Daraus folgt: Wer nicht lernt, seine negativen Emotionen wie Ärger und Wut zu verarbeiten, belastet Herz und Kreislauf und läuft Gefahr, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu bekommen.

Psychische Faktoren wie emotionaler Stress lösen oft auch organisch bedingte Synkopen wie etwa beim Herzinfarkt, bei Arhythmien oder beim plötzlichen Herztod aus. Bestimmte vagovasale Synkopen werden dagegen ausschließlich durch psychosoziale Belastungsfaktoren verursacht. Derartige „emotionale Synkopen“ werden durch psychische Faktoren wie Schockzustände (z.B. Nachricht vom plötzlichen Tod eines nahen Angehörigen), Ekelgefühle oder Angst vor Blut (Blutphobie) in Verbindung mit fehlenden Bewältigungsstrategien ausgelöst, aber auch durch Schwächeanfälle z.B. bei jungen Menschen im Rahmen von Massenveranstaltungen wie etwa Rockkonzerten.

Psychogene Ohnmacht wird psychodynamisch als Mechanismus gesehen, einer ausweglos erscheinenden Situation zu entkommen, da Kampf oder Flucht nicht möglich sind oder nicht gewagt werden. Die Betroffenen fühlen sich in großen seelischen Belastungssituationen hilflos und „ohnmächtig“. So genannte dissoziative Anfälle mit Ohnmacht ereignen sich dagegen ohne Blutdruck- und Herzfrequenzänderungen.

Dem Psychoanalytiker Alexander zufolge soll eine chronisch unterdrückte Aggression, gleichgesetzt mit Feindseligkeit, die Ursache des Bluthochdrucks sein. Die unbewusste Erwartung des Bluthochdruck-Patienten, sich jederzeit gegen einen Angriff körperlich wehren zu müssen, führe zu einer Blutdruckerhöhung mit dem Ziel einer körperlichen Bereitstellungsreaktion. Alexander, der den Bluthochdruck zu den typischen psychosomatischen Störungen zählt, betrachtet die unterstellte Feindseligkeit als verdrängt, das heißt als unbewusst.

Nach anderen Fachleuten sind sich die Betroffenen ihrer Feindseligkeit durchaus bewusst, sind aber nicht in der Lage, ihren Ärger entsprechend zu verarbeiten, sodass sie angespannt bleiben und einen erhöhten Blutdruck bekommen. Trotz jahrzehntelanger Forschungen gibt es bislang keine eindeutigen Beweise dafür, dass psychische und psychosoziale Faktoren allein eine Hypertonie bewirken können. Anhaltender Stress und negative Emotionen scheinen jedenfalls die Blutdruckeinstellung zu erschweren, falls bereits eine arterielle Hypertonie besteht. Die Aggressions- und die Stresshypothese zählen seit vielen Jahren zu den interessantesten psychologischen Konzepten zur Erklärung von Bluthochdruck. In der Mehrzahl der Fälle wird man bei seiner Behandlung jedoch nicht auf Medikamente verzichten können.

Im Gegensatz zum Bluthochdruck gibt es zum niedrigen Blutdruck keine allgemein akzeptierten psychologischen Konzepte. Hypotonie wird erst dann zur Belastung, wenn der seit Jahren problemlos tolerierte niedrige Blutdruck in Verbindung mit anderen Faktoren zu weit absinkt. Nach Meinung verschiedener Fachleute können bei einer Hypotonie eine mangelnde psychische Aktivierung, ein allgemeines Ohnmachtserleben gegenüber den Anforderungen des Alltags und ein Unvermögen, Konflikte zu lösen, zu Erschöpfung und Blutdruckabfall führen.

Therapeutische Strategien

Bei niedrigem Blutdruck sollte auf eine ausreichende körperliche Aktivierung geachtet werden, um auf diese Weise nicht nur den Blutdruck zu steigern, sondern auch das häufige Schonverhalten der Betroffenen zu überwinden. Viele Frauen, die früher einmal aus völlig unterschiedlichen Gründen einen Kreislaufzusammenbruch erlebt haben, fürchten oft auch später einen weiteren Ohnmachtsanfall und entwickeln dann eine Einschränkung des Bewegungsspielraums im Sinne einer Platzangst (Agoraphobie). Bei vagovasalen Synkopen sind zwei Aspekte von besonderer Bedeutung: einerseits intensive Bewegungen der Beine, um den Blutkreislauf rasch zu verbessern, und andererseits eine Analyse der allgemeinen Lebenssituation und der möglichen Auslöser, um der ängstlichen Erwartungsspannung bezüglich der nächsten Synkope besser begegnen zu können.

Das psychosomatische Behandlungskonzept von Bluthochdruck ist vielfältig. Bluthochdruckmittel, Anregungen zur Änderung der ungesunden Lebensgewohnheiten sowie bestimmte psychologisch-psychotherapeutische Vorgehensweisen werden dabei sinnvoll miteinander kombiniert:

  1. Psychoedukation. Grundlegend ist eine Informationsvermittlung über den derzeitigen Stand des Wissens über Bluthochdruck, seine Ursachen, seine Folgen und seine medikamentösen und nichtmedikamentösen Behandlungsmöglichkeiten. Nur etwa die Hälfte der Bluthochdruck-Patienten achtet auf eine ausreichende medikamentöse Therapie, sodass die Compliance durch eine umfassende Aufklärung verbessert werden muss.
  2. Änderung der Ernährungsgewohnheiten. Ratsam ist vor allem die Einschränkung des Konsums von Kochsalz, Nikotin, Kaffee und Alkohol.
  3. Abbau von Übergewicht. Ein vorhandener Bluthochdruck wird durch eine Gewichtsreduktion und nicht primär durch einen verminderten Salzkonsum gesenkt.
  4. Bewegungstherapie. Sportliche Betätigung führt nachweislich zur Reduktion eines erhöhten Blutdrucks.
  5. Entspannungstraining. Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Atemtherapie, Biofeedback und Yoga fördern eine entspanntere Grundbefindlichkeit, weil sie die erhöhte Aktivität des sympathischen Nervensystems reduzieren. Die anfängliche Euphorie ist jedoch verflogen: Mit Entspannungstechniken werden nach zahlreichen Studien insgesamt nur geringfügige Blutdruckabsenkungen erzielt (rund 10 mm Hg oder weniger).
  6. Stressbewältigungstraining. Ein besserer Umgang mit Stress und psychosozialen Belastungssituationen vermittelt ein Gefühl der Kontrollierbarkeit von Lebenssituationen. Eine Änderung der Denkmuster vermindert gleichzeitig den ständigen inneren Druck, alles im Griff haben zu müssen.
  7. Ärgermanagement. Es ist wichtig, statt der Unterdrückung von Ärger und dem unkontrollierten Ausleben von Wut eine adäquate, situationsgerechte Wahrnehmung und Äußerung dieser Emotionen zu erlernen.