Agoraphobie wirksam begegnen

Das ist der einzig wirksame und Erfolg versprechende Weg heraus aus der Angst-Spirale: eine umfassende Konfrontationstherapie. Dabei konfrontiert sich der Betroffene mit allen gefürchteten äußeren Reizen (Orten und Situationen) und mit den aufgetretenen inneren Zuständen (bestimmten körperlichen Symptomen, Gefühlen, Gedanken und Vorstellungen).

Die Konfrontation mit äußeren Situationen ohne Vermeidungsstrategien ist oft nur der Anstoß, sich endlich auch mit den gefürchteten inneren Zuständen auseinanderzusetzen. Sie stehen allzu oft „hinter“ der Agoraphobie und müssen
ebenfalls bewältigt werden:

  • Gefühle wie Ärger, Wut, Enttäuschung über bestimmte Personen,
  • Hilflosigkeit,
  • körperliche und geistige Kontrollverlustängste,
  • das Ausgeliefertsein gegenüber anderen Menschen,
  • die Verletzlichkeit gegenüber einem Partner, wenn man sich auf ihn einlässt,
  • die Angst, nicht geliebt und verlassen zu werden,
  • die Angst, von anderen kritisiert und abgelehnt zu werden,
  • die Gefahr, seinen Ruf und sein Sozialprestige zu verlieren,
  • Unsicherheiten in der Familie und auf dem Arbeitsplatz,
  • die Gefahr einer schweren Erkrankung (z.B. Krebs) oder einer körperlichen Behinderung,
  • ·die Möglichkeit eines zu frühen Todes.

Konfrontationstherapie: stellen Sie sich allen Angstsituationen!

Leider – agoraphobische Ängste vergehen nicht von alleine. Sie müssen schon etwas tun! So schlimm es vielleicht zunächst klingen mag: Sie müssen sich der Angst aussetzen! Sie müssen in die Angstsituation hineingehen, nur eben anders als bisher!

Eine Konfrontationstherapie ist – in Ergänzung zu anderen Strategien – die erfolgversprechendste Methode bei Panikattacken, Agoraphobie, spezifischen Phobien, spezifischer Sozialphobie, Zwangsstörung und teilweise auch bei posttraumatischer Belastungsstörung. Bei einer generalisierten Angststörung und einer Hypochondrie sind eher kognitive Strategien angebracht, wie sie in Schritt 3 dargestellt sind, wenngleich diese auch für die anderen Angststörungen sehr
bedeutsam sind.

Halten Sie sich immer vor Augen: Angst lebt von der Vermeidung. Nur wenn Sie sich der Angst stellen, werden Sie diese überwinden. Übermäßig lange Ursachenforschung verzögert nur den Prozess der Veränderung und der aktiven Auseinandersetzung mit der Angst. Oft verläuft der Prozess sogar gegenläufig und
Sie erkennen erst nach der Beseitigung die wahren Ursachen Ihrer Ängste. Halten
Sie sich an das Motto: „Man hat etwas erst dann verstanden, wenn man es verändert hat.“

An diesem Punkt scheiden sich die Geister der Psychotherapeuten:
Verhaltenstherapeuten und Psychoanalytiker gehen diesbezüglich völlig unterschiedlich vor – auch wenn schon Sigmund Freud seine agoraphobischen Ängste durch eine Vorgangsweise therapiert hat, die man heutzutage als verhaltenstherapeutische Strategie bezeichnen würde. Freud empfahl allen
Psychoanalytikern, ihre phobischen Patienten zur direkten Konfrontation mit den Angst machenden Reizen anzuhalten, da sonst bei der psychoanalytischen Technik der freien Assoziation kein relevantes Material zu Tage gefördert werden könnte.

Andererseits anerkennen Verhaltenstherapeuten heute, dass Ängste nicht nur erlernt und nicht immer so einfach wieder verlernt werden können, sondern mit tiefer liegenderen persönlichen oder interaktionellen Konflikten zusammenhängen können.

Zwei Formen der Konfrontationstherapie: gestuft und massiert

Es klingt fast paradox: die ganze Macht Ihrer Phobien kommt allein daher, dass Sie diese unbedingt und mit allem Mitteln vermeiden wollen! Dadurch wächst in Ihnen auch die Überzeugung, die betreffende Situation könnte tatsächlich gefährlich sein. Eine Agoraphobie sowie die meisten Phobien können Sie am besten durch eine Konfrontationstherapie überwinden, die Ihre Angstspirale unterbricht
und Ihnen die anhaltende Erfahrung vermittelt, dass Ihre Befürchtungen unbegründet sind. Dies ist anfangs sicherlich eine anstrengende Therapie, bringt jedoch rasch Erfolge. Sie stellen sich dabei allen Angst auslösenden Situationen
gezielt nach dem Grundsatz „Standhalten statt flüchten“.

Halten Sie sich immer vor Augen: nichts wird Sie mehr motivieren als der sichtbare Erfolg. Durch die Erfahrung, dass Sie auch die stärkste Angst
aushalten können und nach einiger Zeit (15-30 Minuten) ruhiger werden, ändern sich auch Ihre Einstellungen. Sie erleben, dass Sie Angst aushalten können, daher gewinnen Sie die Zuversicht, dass Sie auch zukünftig Angst durchstehen können. Ein verlockendes Ziel, nicht?

Sie können die Konfrontation mit der Angst auf zweifache Art und Weise aufnehmen

  1. Gestufte Konfrontation. Sie lernen dabei, in kleinen Schritten immer schwierigere Aufgaben zu bewältigen. Auf diese Weise bauen Sie langsam Ihr Vertrauen zu sich und zur Umwelt auf und vermeiden jede Überforderung (auch eine heftige Panikattacke).
  2. Massierte Konfrontation (Reizüberflutung). Bei dieser Methode stellen Sie sich sofort Ihren größten Ängsten, und zwar mit der Bereitschaft zu einer Panikattacke. Dieses Vorgehen empfehlen wir Ihnen vor allem dann, wenn Sie
    früher ein mutiger Mensch waren und sich nicht vor jenen Situationen gefürchtet haben, die für Sie heute ein Problem darstellen. Ihre Angst vor bestimmten, an sich harmlosen und früher leicht bewältigbaren Situationen kommt wahrscheinlich daher, dass Sie mindestens einmal bei einer solchen Gelegenheit eine
    Panikattacke oder eine panikähnliche Symptomatik erlebt haben.