Menschen mit einer sozialen Angststörung befinden sich in einem unlösbaren Dilemma: sie möchten ständig einen guten Eindruck machen und bezweifeln gleichzeitig ihre Fähigkeit, dies zu erreichen. Sie richten ihre Aufmerksamkeit im Umgang mit anderen Menschen stark auf sich selbst, beobachten sich aus Angst und Unsicherheit ständig und werden und wirken somit erst recht verkrampft. Das ständige Reflektieren und Sich-selbst-Beurteilen untergräbt jede Spontaneität im Umgang mit anderen.
Sozialphobiker wirken permanent angespannt und kontrolliert, was auch die Umgebung mehr oder weniger stark registriert. Aus Angst, in sozialen Situationen zu versagen oder kritisiert zu werden, neigen sie dazu, potentielle Gefahren extrem überzubewerten; die hohe Empfindlichkeit den eigenen körperlichen Reaktionen gegenüber verstärkt die permanente Selbstbeobachtung. All das führt unweigerlich dazu, dass das Selbstvertrauen der Betroffenen geschwächt wird und die Bewertung ihrer eigenen Person völlig verzerrt ist.
Der nächste Schritt – das konsequente Vermeiden der gefürchteten Situationen – reduziert nur kurzfristig die Angst; langfristig kann es jedoch keine Besserung bringen, weil es den Betroffenen die Chance auf positive Erfahrungen nimmt! Der soziale Rückzug verhindert alle Lernerfahrungen, die ihnen mehr Selbstsicherheit vermitteln könnten.
Es entwickelt sich ein Teufelskreis: die Angst vor sozialen Misserfolgen und kritischen Urteilen führt zu einem verkrampften Bemühen um Fehlervermeidung, Unauffälligkeit und positiver Selbstdarstellung, das bewirkt eine übertriebene Aufmerksamkeit auf das eigene Tun und den Wunsch, immer alles richtig zu machen. Die Konzentration auf die Interaktionspartner („Was sehen die anderen an mir?“) beeinträchtigen das spontane Verhalten und die Zuwendung zum Gegenüber, was subjektiv als Konzentrationsstörung oder gar als Merkfähigkeitsstörung erlebt werden kann. Die damit verbundene Gefahr der Auffälligkeit wird durch „Zusammenreißen“ zu überspielen versucht, sodass eine entspannte Kommunikation und Interaktion völlig unmöglich ist.
Sozialphobiker weisen angstverstärkende Muster auf
- negative Bilder zur eigenen Person („Ich bin langweilig“),
- falsche Überzeugungen zur sozialen Bewertung („Wenn sie mich näher kennen würden, würden sie mich ablehnen“),
- überhöhte Maßstäbe für das Sozialverhalten („Ich darf niemals meine Angst zeigen“).
Eines bedingt das andere: negative Erwartungen bewirken eine übersteigerte Selbstaufmerksamkeit, Selbstbeobachtung und Selbstbewertung (einseitige Konzentration auf mögliche Fehler, Versagen, Blamagen und Peinlichkeiten im Verhalten). Wegen der großen Angstgefühle oder der körperlichen Erregung schließen die Betroffenen sofort auf eine negative Bewertung durch andere („Die anderen sehen in meiner Aufregung meine Schwäche“). Sie erleben sich wie ein „gläserner Mensch“ (total durchsichtig) und glauben, was sie spüren, würden die anderen tatsächlich auch sehen können. Sozialphobiker überschätzen die Wahrscheinlichkeit, dass ihre körperlichen Symptome von der Umwelt wahrgenommen werden.
Sie interpretieren zudem die körperlichen Symptome als Beweis für die negative Beurteilung vonseiten der Umwelt, was den Teufelskreis bis zu situativen Panikattacken aufschaukeln kann. Bestimmte Sicherheitsverhaltensweisen sollen in unvermeidbaren Situationen die Ängste und erwarteten negativen Bewertungen vermindern (z.B. ständiges Reden).
Sozialphobiker haben zu perfektionistische Standards, vermutlich zur Kompensation der vermeintlichen oder tatsächlichen Unzulänglichkeiten.